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einen Priester der Prozeß gemacht, das Todesurteil
über ihn ausgesprochen und am 19. Dezember
1584 seine Enthauptung, ein offenbarer
Justizmord, vollzogen. Bei dem stark demokratischen
Sinne der Appenzeller ist es nicht
undenkbar, daß der Bau des stolzen, ganz
massiven Schlößleins eine gewisse Verstimmung
gegen Dr. Low mit verursacht haben mag. Das
Schloß wurde vom Staat zu Händen genommen
und den Klosterfrauen als Wohnung angewiesen
, bis diese ca. 1618—1620 unmittelbar
dahinter das jetzige Kloster bauten. Wieder
an den Staat zurückgefallen, kauften es die
drei Schwäger:
Landammann und Ritter Anton Speck,
Landammann und Ritter Conrad Geiger
und Statthalter Ulrich Sutter, der Chronikschreiber
.
Bis zu seinem Tode im Jahre 1708 bewohnte
Speck das Haus, dann kam es an Ulrich
Sutter und blieb bis heute bei dessen Nachkommen
. Die Frau des bekannten St. Gallischen
Staatsmannes Müller-Friedberg war eine Tochter
dieser Familie. Jetzt beherbergt der Oberstock
das Appenzellische Historische Museum.
Trogen
(Blatt 79, 80)
Die Ortschaft Trogen bildet ein hervorragend
schönes Ganzes. Sie ist eng und fest
gruppiert auf einer scharfen Hügelkante um
die zu äußerst aufgestellte Kirche und schaut
fast trotzig in die steil unter ihr abfallenden
Schluchten. Kommt man vom Bahnhof der
Elektrischen Bahn her, auf der Straße zwischen
einfacheren Häusern durch, steht man überrascht
auf dem großen, ernsten Dorfplatz, der
durch die alle zwei Jahre dort stattfindende
Landsgemeinde historisch geweiht ist. Still
und menschenlos liegt der Platz und die großen,
Palästen gleich, ihn umschließenden Häuser
geben uns beinahe dasselbe Gefühl, das uns
etwa in Venedig beschleicht: ,,Es zeugt auch
hier alles von verschwundener Pracht". Pracht
ist vielleicht zu hoch gegriffen — aber man
spürt, daß man im Zentrum eines geistig hochstehenden
und zugleich wohlhabenden Gemeinwesens
steht, daß zur Zeit, da diese Bauten
geschaffen wurden, weitausschauende Gedanken
und Beziehungen die Wünsche und Pläne der
Bauenden geleitet haben. Die Persönlichkeiten,
die dem Orte das eigenartige Gepräge aufdrückten
, waren weitgereiste, hochgebildete,
welterfahrene Männer, die einen guten Teil
ihres Lebens im Auslande zugebracht und
fremde Eindrücke und Lebensbegriffe in selbständiger
Verarbeitung mit heimgebracht
hatten ins enge Heimatland, diesem damit
eine Bedeutung verschaffend, die wir jetzt
nur noch ahnen.
Das Hauptgeschlecht, das Trogen bekannt
machte, war die Familie Zellweger. Der Name
kommt schon 1377 urkundlich vor unter den
Ortsansässigen des Fleckens Appenzell. Die
Reformation und die dadurch veranlaßte Teilung
des Landes führte die Familie in die
äußeren Roden, wo sie von da an fast immer
ein Glied in der Regierung zu sitzen hatte,
ja dem Lande eine lange Reihe von Land-
ammännern lieferte. Der erste war Conrad,
noch in Appenzell geboren, dann in Herisau
und später in Teufen niedergelassen, wo er
sich auf der Gähleren ein Haus baute. Er
war von Beruf Glaser und Glasmaler, bis vor
kurzem waren noch ein paar Scheiben von
ihm erhalten. Er wurde 1613 zum Landammann
vor der Sitter gewählt, wurde oft zu
schwierigen Missionen abgeordnet, z. B. 1621
nach Bünden zur Stillung der dortigen Unruhen
, und resignierte 1642. Sein Sohn Johannes
wurde sein Nachfolger. Besonders
genannt wird von den in Trogen Ansässigen
Conrad, der im Jahre 1663 mit seinem
Schwiegervater Landammann Rechsteiner zusammen
Appenzell bei der Erneuerung des
Bundesschwures zwischen Ludwig XIV. und der
Schweiz in Paris vertrat. 1680 wurde er
Seckelmeister, 1681 Statthalter und 1697
Pannerherr. Er betrieb einen ausgedehnten
Leinwandhandel mit dem Ausland und begründete
den Reichtum der Familie und die
kaufmännische Bedeutung Trogens. Seine
Enkel waren Dr. med. Laurenz (1692—1764)
und Landammann Johannes Zellweger-Sulzer,
der Erbauer des Hauses Nr. 5 (jetzt Frau
Dr. Ritter). Ersterer War literarisch tätig und
stand in freundschaftlicher Verbindung und
regem Gedankenaustausch mit den Zürcher
Dichtern Bodmer und Breitinger, so daß sich
von da an ein unzerreißbares Band geistigen
Verkehrs wob um Zürich und Trogen. Johannes
war viele Jahre führendes Haupt des Landes,
wurde aber im Streit der „Harten und Linden"
XLIII
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