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entfernt wurde, sind alle Fensteröffnungen
neu ausgebrochen worden. Auch die vielfach
umgeänderten Zimmer weisen nichts Altertümliches
mehr auf. Eine Eigentümlichkeit
ist der unten an der Treppe an der
Nordseite des Kellers, unter das Haus hindurchführende
Gang, durch den man vermittelst
teils offener, teils gedeckter Treppen
am Schlossfelsen längs der alten Ringmauer
in die Unterstadt gelangt. Noch heute öffentlicher
Durchgang vermittelte derselbe bis
zum 1719 erfolgten Abbruch der gedeckten
Aarebrücke oberhalb der Sinni über diese
eine direkte Verbindung zwischen der im
daranstossenden Freienhof gelegenen „Freiheitsstube
" mit der nahe beim Burgtor
liegenden Stadtgrenze — ein Umstand, der
einige Historiker auf den Gedanken bringt,
die nachmalige Helferei möchte die ursprüngliche
Burg der Herren von Thun
gewesen sein.
Das Haus Nr. 72, Tafel 15, steht jedenfalls
auch an Stelle eines alten Burglehens; was
amPlatz des heutigen Gebäudes stand,konnte
bis dahin nicht festgestellt werden. Erbauer
desselben ist entweder der „Operator"
Johann Ulrich Schrämli, der 1756 aus
Wiesendangen (Kt. Zürich) nach Thun zog,
dort Ratsherr und 1774 Säckelmeister wurde
und 1806 zu Kallnach verstarb, oder dann
sein Sohn David Jakob 1762—1804, Kaufmann
und 1790—94 ebenfalls Säckelmeister
zu Thun. In aussichtsreicherLage am Schlossberg
gelegen, mit ansehnlichem Garten, hat
das villenartige Gebäude stets nur zu Wohnzwecken
gedient; seine Handlung betrieb
David Jakob Sehr, unten in der Stadt, wo
er das Haus Nr. 59 an der Hauptgasse besass.
Der aus einem Vorder- und einem Hinterhaus
bestehende, herrschaftlich angelegte
Bau enthielt von jeher zwei Wohnungen.
Die grössere umfasst den ersten Stock des
Vorderhauses und das ganze Hintergebäude,
wo sich im Erdgeschoss Waschküche und
Holzhaus, im Obergeschoss Küche und
Dienstenzimmer befanden. Eine breite, nach
der Hofseite verglaste Gallerie verbindet
die Herrschaftszimmer des Vorderhauses
mit den Dependenzen. Eine zweite kleinere
Wohnung bildete von jeher das Erdgeschoss
und das Untergeschoss des Vorderhauses,
mit kleiner Küche im Erdgeschoss. Von besonderer
Wirkung ist der durch die beiden
Gebäude und den unten auf dieser Seite
offenen Verbindungsbau gebildete grabenartig
angelegte Hof, der gegen die Strasse
durch ein ziemlich reiches schmiedeisernes
Gitter abgeschlossen wird. Der gesamte Bau
zeigt in allen Details, wenn auch einfache,
so doch sehr sorgfältige und gediegene
Ausführung, die vom guten Geschmack des
Bauherrn zeugt. Seiner Natur nach ein durchaus
städtisches Gebäude, mit Ausnahme
eines Obstgartens ohne irgendwelchen landwirtschaftlichen
Betrieb, hat ihm seine zu
geschlossenen Gassenanlagen ungeeignete
Lage am Schlossberg gestattet, eine Ausdehnung
und Formen anzunehmen, wie sie
damals nur bei städtischen Landhäusern zu
finden sind. Dem Bedürfnis nach Sonne und
licht ist vollste Rechnung getragen; alle
Zimmer sind auf der Lichtseite, auch der
Hof mit seinen säulengetragenen Loggien
ist nach Süden orientiert.
Die Besitzung gehört noch heute den
Nachkommen des Erbauers. Durch Architekt
Tschaggeny in Thun Hess der jetzige Eigentümer
Herr A. Schrämli in Bern 1914 einige
Umbauten vornehmen, wobei namentlich am
Vorderhause ein Anbau mit Aborten und
grösserer Küche für die Erdgeschosswohnung
angebracht und das Erdgeschoss des Hinterhauses
zu einer weiteren kleinen Wohnung
eingerichtet wurde.
Der ehemalige Scharnachtalhof an der
Freienhofgasse Nr. 51.
(Tafel 16—17).
Das äusserlich zu Ende des XVQI. Jahrhunderts
umgebaute Gebäude datiert in
seiner Innenanlage noch grösstenteils aus
dem XV. Jahrhundert und ist eines der
seltenen Beispiele eines grossangelegten
städtischen Edelsitzes aus dieser Zeit. In
der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts war
dieses „Haus und Hof im Rossgarten mit
dem Zinken und der Fischenzen dahinter"
der Sitz des zu Thun verburgerten und angesessenen
Zweiges derWalliserfamilie v.Raron,
welchem die obersimmentalische Herrschaft
Mannenberg - Reichenstein gehörte.
Nach dem um die Mitte des Jahrhunderts
XXI
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