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IV. JURA
Neuveville — Neuenstadt
Tafeln 80—88.
Neuenstadt, ehedem Bestandteil des Bistums
Basel, gehört geographisch durchaus
zum alten bernischen Seeland. Seine
Gründung verdankt es den Kriegen des
Bischofs von Basel mit den Grafen von
Welsch-Neuenburg, welche 1307 die bischöfliche
Stadt Bonneville oder Neuville im Val
de Ruz zerstört hatten. Ihren geflüchteten
Einwohnern zur neuen Heimat begann der
Bischof Gerhard v. Wippingen 1312 den Bau
eines Städtchens in der Nähe der damals
schon fast abgegangenen Ortschaft Nugerol
(Nucariolum) am Fusse des von seinem
Vorgänger Heinrich v. Isny f 1288 erbauten
Schlossberges zuoberst am linken Ufer des
Bielersees. Die „Neue Stadt", welche diese
Bezeichnung als Namen beibehielt, wurde
1318 mit den Rechten und Freiheiten der
bischöflichen Stadt Biel ausgestattet und
erfreute sich bald eines regen Gedeihens.
Als Bischof Johann von Vienne 1367 mit
Bern in den Krieg kam, zogen die Berner
im November dieses Jahres vor Neuenstadt
und belagerten es, mussten aber unverrichteter
Dinge wieder abziehen. Für sein
standhaftes Verhalten erhielt das Städtchen
vom Bischof ein eigenes Panner und Stadtsiegel
und eigene Verwaltung. Indessen
ging Neuenstadt schon 1388, nachdem Bern
Nidau an sich gebracht hatte, mit der Aarestadt
einen Burgrechtsvertrag ein. In der
Folge wurde derselbe öfters erneuert und
die Beziehungen mit Bern wurden immer
enger, besonders als sich die kleine Bischofsstadt
infolge der Wirksamkeit des Reformators
Farel, der 1529 daselbst predigte,
dem neuen Glauben zugewandt hatte. Dank
diesem Rückhalt, den Neuenstadt stets an
Bern hatte, und dank seiner für seinen Herrn
etwas abgelegenen Lage, erfreute es sich
jahrhundertelang einer ziemlichen Selbständigkeit
. Die Stadt hatte ihre eigenen
Räte und zwei Bürgermeister; oberster Beamter
war der bis 1531 auf dem Schlossberg
residierende bischöfliche Castlan, der
aber meistens aus der Neuenstadter Bürgerschaft
selbst ernannt wurde. Das Stadtgebiet
erstreckte sich bis an den Kalkofen
von Ligerz im Osten und bis zum Stadtbach
bei Landeron im Westen. Als Bestandteil
der Eidgenossenschaft entging
Neuenstadt 1792 dem Schicksal des katholischen
Teils des Bistums, welches schon
damals Frankreich einverleibt wurde. 1798
widerfuhr aber auch dem übrigen Bistum
das gleiche Los und bis zum Sturze Napoleons
blieb es französisch. Nach seiner Vereinigung
mit dem Kanton Bern wurde
Neuenstadt 1816 zum Oberamt Erlach geschlagen
, 1846 aber zu einem eigenen Amtsbezirk
erhoben.
Die ursprüngliche Anlage der auf einem
sanften Abhang gebauten, im Grundriss beinahe
quadratischen Stadt hat sich unverändert
erhalten und gibt ein anschauliches
Bild des mittelalterlichen Städtebaus. Lange
Zeit hatte Neuenstadt nur zwei Eingänge,
die zinnenbewehrte Porte de Rive am See
und dieser gegenüber das mit der schlanken
1593 in ihrer jetzigen Höhe aufgeführten
Tour de l'horloge geschmückte Stadttor.
1626 wurde auf der Westseite der Stadt ein
drittes Tor, die Neuve Porte, erbaut, die
aber 1844 der Bieler Staatsstrasse zum Opfer
fiel. Von den ehemaligen Stadtbefestigungen
sind in den Häuserreihen der Peripherie
noch einzelne Türme erhalten geblieben.
Schon sehr frühe begannen die Neuenstadter
ihre Häuser in die Stadtmauern hineinzubauen
; 1341 wurde ihnen vom Bischof gestattet
, Fenster in diese zu brechen und
1425 erwarben sie vom geldbedürftigen
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