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hölzerner Gebäude. Wer sein Haus nicht
ganz in Stein erbauen konnte, musste
wenigstens die der Strasse zugekehrte Seite
zwei Stockwerke hoch in diesem Materiale
ausführen und die übrigen Wände, auch die
im Innern des Hauses, bis an das Dach
„zünen", d. h. flechten und mit Lehm und
Pflaster beschlagen. Schindeldächer mit Befestigung
durch Nägel oder Steine wurden
wohl noch geduldet, wenns nicht anders
ging. Aber die Ziegelbedachung fand von
jetzt ab wärmste Beförderung, um so mehr,
als die Stadt selbst mit der Zeit eine eigene
Ziegelei einrichtete und betrieb. Jeder
„Brand" musste dem Stadtbaumeister oder
seinem Beigeordneten vorgewiesen werden.
Aus dieser Einheitlichkeit des Bedachungs-
materiales erklärt sich mit die vollendete
Harmonie dieser Städtebilder, wie Schaffhausen
dem Auge heute noch, mit Abzug
weniger Einbrüche, eines bietet.
Das Hauptkontingent der Häuser lieferte
wohl das Handwerkerhaus. Wir besitzen noch
eine ganze Anzahl sprechender Beispiele:
Ein schmale]- Hausgang führt stracks zum
Höflein und Hintergebäude, vorne im Erdge-
schoss liegt die Werkstatt oder das Verkaufslokal
. Im ersten Stock nimmt die Stube mit
der gotischen, leichtgewölbten oder ebenen
Holzdecke meist die ganze Breite der Fassade
ein. Die Schlafräume und andern Kammern
sind in den zweiten und dritten Stock verlegt
. Die Küche befindet sich, meist ohne
Eigenlicht, vor der Stube, in der Mitte des
Hauses. Diese räumliche Gebundenheit war
bedingt durch die erste Baugrundaufteilung
durch den Lehnserteiler, das Kloster. Einer
der ältesten Baublocke, die Häusergruppe
zwischen der Vordergasse und der Hintergasse
(heute Münsterplatz genannt), weist
diese Parzelleneinteilung heute noch deutlich
auf. Wir sind sogar über die Grösse dieser
Trakte unterrichtet. Sie betrug in die Breite
24 und in die Tiefe 60 Schuh. Gegen einen
Gulden Jahreszins konnte ein solcher Streifen
erworben werden und für einen halben
Gulden mehr ausserdem ein Ausgang auf
die Hintergasse. Diese langgestreckten Parzellen
, die mit der schmalen Stirne an die
Strasse und mit dem dünnen Leibe in die
Baumgärten und Weinberge stiessen, hatten
zur Folge, dass das ganze Besitztum sich
baulich nach der Tiefe entwickeln musste.
So entstunden die Hintergebäude mit ihren
Höfen und Höfchen, wie sie Feldbau und
Viehzucht innerhalb der Stadtmauer erforderten
. Auf diesen Hintergebäuden wurden
dann im Laufe der Zeit ausgebaute
Wohnhäuser errichtet, die ohne weiteres
den Namen der vordem älteren Schwester
trugen. So entstund „das hindere Glas", „der
hindere Maulbeerbaum", „die hindere Glog-
gen" usf.
Erst als die zunehmende Kapitalkraft
mancher Geschlechter oder einzelner kraftvoller
Bürger es erlaubte, zwei oder drei
dieser schmalen Trakte zu einem Ganzen zu-
sammenzuschweissen, entwickelte sich unser
währschaftes und stattliches Bürger- und
Kaufherrenhaus des XVI. und XVII. Jahrhunderts
, dem wir nun unsere Aufmerksamkeit
zuwenden wollen.
Mit der Verbindung der zwei Begriffe
Zweck und Repräsentation glauben wir dem
Wesen dieser Bürgerhäuser am nächsten zu
kommen. Tief sass das Gefühl für die Bedeutung
des Hauses an sich in jenen Geschlechtern
. Denn nicht nur die Edeln,
sondern auch die meisten wohlhabenden
Bürger bewohnten ihre Sässhäuser, die sich
jahrhundertelang vom Vater auf den Sohn
vererbten. So verlohnte es sich auch, etwas
für die Ausstattung des Hauses zu tun, im
Gegensatz zum allzuraschen Wohnungswechsel
unserer Tage, die Handänderungen
als etwas ganz Gewöhnliches kennen. Auf
diesen Sässhäusern behauptete sich die fröhliche
, bildhafte Hausbezeichnung zäh bis
auf unsere Zeit und haftete den Besitztümern
meist bis in die Ehe- und Taufakten, in die
Kaufverträge und Bürgerrodel an. Die Zahl
solcher Häusernamen geht in Schaffhausen
in die Hunderte. Ein paar besonders gelungene
seien hier genannt: „Zum Walfisch",
„Zum Dromedar", „Zum süssen Winkel",
„ZumHochmütli", „Zum Esel", „ZumHündli",
„ZurVergnügung", „ZumRiedböschen", „Zur
Schällensau", von welch letzterem Hause
die Überlieferung erzählt, dass es im Kartenspiel
gewonnen worden sei. Unschwer ist ein
gemeinsamer Grundplan in diesen Häusern
zu erkennen, weil sie aus denselben Zweckbedingungen
heraus geboren sind. Der
schwunghafte Handel mit fremdem und
eigenem Wein, besonders aber mit Salz und
Frucht aus Ungarn über Wien und Ulm
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