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handenen Decken sind signiert. Ihr Unterhalt
ist übrigens kein Leichtes. Uni so
dankbarer darf der zahlreichen Hansbesitzer
gedacht werden, die kein Opfer scheuten,
ihren Stuckdecken ein würdiges Aussehen
zu bewahren.
So hat sich das Bild der Stadt allmählich
gerundet, das Bild dieser Gesamtheit,
die sich durch Jahrhunderte hindurch beinahe
unverändert erhalten konnte. Erst dem
XIX. Jahrhundert war es vorbehalten, grosse
und schmerzliche Wunden in diese Gesamtheit
zu schlagen. Die gewaltige Umwälzung
der französischen Revolution hatte die Gesellschaft
des alten Regiments zertrümmert.
Seine Reste klammerten sich ängstlich an
den ererbten Besitz. Das konnte für eine
lebendige Weiterentwicklung der Kunst, insbesondere
der Baukunst, kein guter Boden
sein. Die neue Macht, das demokratische
Bürgertum, empfand vorderhand überhaupt
kein Bedürfnis nach dieser Richtung. Ausserdem
fehlten unmittelbar nach den langdauernden
Kriegen der napoleonischen Zeit
die früheren grossen, privaten und korporativen
Geldmittel. Die Baugesinnung
schwand und mit ihr der Sinn für die Kunstpflege
. Die Aufhebung der Zünfte war eine
unumgängliche Forderung der liberalen
Grundsätze des Jahrhunderts. Aber den Schaden
hatte vorerst die Qualität im Handwerk
zu spüren. Die alte Handwerkertüchtigkeit
und ihr Erfindimgsgeist verblasste. Eine
tötliche Gleichgültigkeit gegen alles, was von
ehedem war, brach vielfach bei der Masse ein,
und konnte bei den Behörden, die des gleichen
Geistes Kinder waren, kein genügendes
Gegengewicht finden. Es begann ein frischfröhliches
Abbrechen der Türme und Tore.
Aber in die Lücken konnte nichts Gleichwertiges
gesetzt werden. Die Wunden klaffen
noch heute im Stadtbilde. Auch an Innenausstattungen
wurde vieles sinnlos vernichtet:
Da eine gotische, gewölbte Balkendecke
herausgerissen, dort ein Vorkamin mit den
Allianzwappen oder ein origineller Ofen
abgetragen. Ganz besonders aber wurde
das Überstreichen schöner, eingelegter Getäfel
mit nüchterner „heller" Ölfarbe geübt.
Und doch stehen wir in Schaffhausen
heute noch vor einem reichen Kunstbesitz
aus früherer Wohnkultur. Die bedauerliche
Gleichgültigkeit ist heute an vielen Orten
einem erneuten Interesse gewichen. Aber
diesen geretteten Besitzstand verdanken wir
nicht ausschliesslich eigenem Verdienst,
sondern eher dem Umstände, dass der wirtschaftliche
Umschwung hier später als an
andern Orten einsetzte. Dort verfielen die
Gemeinwesen durch die allzurasche Entwicklung
der ungehemmten, baulichen Ver-
nüchterung der siebziger und achtziger Jahre,
während hier die Behörden Zeit gefunden
hatten, der neuen, städtebaulichen Aufgaben
Schritt für Schritt Herr zu werden, ohne
mit dem alten guten Besitzstand total aufräumen
zu müssen. So erfreuen wir uns
heute in künstlerischer Hinsicht eines fast
unverletzten Ganzen einer Bürgerstadt aus
dem XVI. und XVII. Jahrhundert.
Unsere vorliegende Publikation soll über
dem statistischen einem praktischen Zwecke
dienen. Bei dem Studium der mannigfachen,
architektonischen Erscheinungsformen gilt
es aber, den Blick zu schärfen für den
Unterschied zwischen den organischen und
den bloss dekorativen Ausdrucksmitteln
dieser vergangenen Epochen. Gerade unserer
Zeit des Eklekticismus liegt die Gefahr sehr
nahe, Formen anzuwenden, deren Organismus
unseren eigentlichen Bedürfnissen fremd
ist, und deren unbedenkliche Anwendung
lediglich der Benützung eines stattlichen,
aber erborgten Kleides gleichkäme.
EX
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