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Die erste Besiedlung des Landes.
Das Glarnerland erfreut sich einer zur
Ansiedlung bemerkenswert günstigen
Lage. Geborgen hinter seinen gewaltigen
Felsenmauern und behaglich eingebettet in
den Hochalpenwall, an welchem der Norden
und Süden Europas, die gemässigte und
die warme Zone sich die Hand reichen, ein
wunderschönes, anbaufähiges Gelände, das
auf engem Raum alle Klimate von Schweden
bis Oberitalien vereinigt, ist es vom Weltverkehr
nicht abgeschnitten, wie so viele
andere Täler der Schweiz, sondern mündet
mit seiner ganzen Talsohle in die weite
Linthebene aus, welche die Alpen mit dem
Jura verbindet, und liegt zugleich an der
einzigen natürlichen Strasse, die den Ge-
birgswall quer durchschneidet und, weil
durch ein Seebecken (den Walensee) mit
schiffbarem Ausfluss gebildet, dem Verkehr
zu Land und Wasser freie Bahn erschliesst.
Sein Eingangstor hinwiederum befindet sich
gerade an der Stelle, wo die Bergketten
von Süd und Nord wie zu einem Engpass zusammenrücken
, so dass die Völkerströme, die
sich diesseits und jenseits der Alpen Wohnplätze
suchten, hier durchziehen mussten.
Nicht ohne Grund war dieser für Verkehr
und Handel so überaus wichtige Durchgangspunkt
im Mittelalter von nicht weniger
als 10 Burgen umstellt. Wanderstämme, die
sich im Glarnerland niederliessen, sassen
hier also abgeschlossen genug, um ihre
Existenz gegen feindliche Einfälle sicher behaupten
, aber auch aufgeschlossen genug,
um sich bequem mit der übrigen Welt in
Verbindung setzen, ihre Produkte zu Markte
bringen und sich umsehen zu können, wie
man draussen lebte und — baute.
Wer nun die ersten Ansiedler waren,
die sich hier eine Heimat suchten, ist nicht
bekannt. Nur allzu lange sahen Unkenntnis
und Aberglaube in den Unbilden des Hochgebirges
unbesiegliche Schrecknisse oder
das tückische Spiel verderbenbringender
Geister und blieb man blind für die Vorzüge
einer Welt voll Schönheit, Kraft und
Leben, wie solche Alpentäler, speziell das
Tal der Linth, sie darbieten. Keine Höhlenfunde
, keine Pfahlbauten erzählen von vorgeschichtlichen
Niederlassungen, und nur
spärliche Überbleibsel aus der Bronze- und
Eisenzeit belegen die einstige, vielleicht nur
vorübergehende Anwesenheit der Kelto-
helvetier. Sicher dagegen wohnten im Lande
die Rhätoromanen oder Walen, von deren
Bauart noch vereinzelte, unter dem Namen
Heidenhäuser und „Heidenstäfel" bekannte
Gebäulichkeiten zeugen, armselige Hütten
und Gemäuer aus rohen Steinen, ohne Mörtelverbindung
, mit quadratischen Steinplattenböden
. Im Jahre 15 v. Chr. wurden die
Rhätier von den Römern unterworfen, aber
nicht aus dem Lande vertrieben. Die Römer
besetzten besonders die Walenseegegend,
sicherten die Schiffahrt durch Errichtung
von Militärstationen und Wachttürmen und
bauten eine gepflasterte Strasse über den
Kerenzerberg. Zu ihrer Zeit wurde auch
die „Letzimauer" bei Näfels erstellt, die
sich, ein Pfahlrostbau, in ihren untern Teilen
grossenteils noch vorhanden, von einer
Talwand zur andern hinüberzieht. Einen
nennenswerten Einfluss auf die bauliche
Entwicklung des Landes aber haben sie
nicht ausgeübt. Das blieb vielmehr den
Alemannen vorbehalten. Diese waren 406
n. Chr. über den Rhein hereingebrochen,
hatten bald die Römer aus der Schweiz
vertrieben und sich hier in den ebenern
Gegenden ansässig gemacht. Allmählich
drangen sie aber bis in die Bergtäler vor
und so eines Tages auch ins Glarnerland.
Es war im 7., vielleicht schon im 6., spätestens
im 8. Jahrhundert. Sie fanden es
von der flüchtenden rhätischen Bevölkerung
meistenorts geräumt, zum Teil wieder verwildert
, zum Teil noch unangebaut und beeilten
sich nun, es, wie aus den Flurnamen
hervorgeht, in mühseliger Reut- und Säube-
rungsarbeit zu dauerndem Aufenthalt zurechtzumachen
. Ihrer Gewohnheit gemäss
V
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