Augustinermuseum Freiburg i. Br., B 933/7
Das Bürgerhaus in der Schweiz (7. Band): Das Bürgerhaus im Kanton Glarus
Zürich, 1919
Seite: IX
(PDF, 15 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_07_1919/0011
Schöne Exemplare hoher alter Holzhäuser
sind in Bilten, Niederurnen, Nidfurn, Luchsingen
, im Sernftal und auf dem Kerenzer-
berg noch zu sehen.

Dem hohen Holzhaus folgte das hohe
Steinhaus, das die einfache Übersetzung
jenes auf den Steinbau ist. Es tritt in zwei
verschiedenen Typen auf. Die eine, ältere
Art ist massig und schwer, etwas vierschrötig
, auch wohl von plumpem Aussehen,
ohne andere Gliederung der grossen Mauerflächen
als durch die Fenster, und mit einem
Giebel, der ungefähr im rechten Winkel
auseinandertritt. Dahin gehören z. B. das
Zwickihaus an der Kreuzgasse zu Mollis,
das Bleichehaus in Nidfurn, das Suwaroff-
haus in Elm von 1748, das Weisshaus in
Matt, das Geburtshaus von Bürgermeister
Stüssi von Zürich in Zusingen, das Haus
Leuzinger-Fischer in Glarus. Diese Häuser
imponieren durch ihre Grösse; die Grazien
sind ihnen jedoch zumeist nicht zu Gevatter
gestanden. Die andere, jüngere Art ist von
bescheidenem Dimensionen, schlank und
zierlich, von elegantem Wuchs, sich auszeichnend
durch ungemein schönen, steilen,
spitzwinkligen Giebel. Hier klingen noch
gotische Traditionen nach. Es ist aus Südschwaben
und der Nordostschweiz zu uns
gekommen und tritt vereinzelt auch, wie
im Stäblihaus in Netstal und im Schönen-
bergerhaus in Mitlödi, als Riegel- oder
Fachwerkhaus auf, das durch das Ein-
flechten brauner Holzbalken ins weisse
Gemäuer ein malerisches Aussehen erhält.
Eine Reihe von Häusern dieser schlanken,
spitzgiebligen Gattung sind in dem nicht
abgebrannten Teil von Glarus, andere in
Näfels, Mollis (z. B. das Dekanenhaus) und
Niederurnen zu sehen, während wieder
andere, wie die zwei grossen Häuser in
Bilten, das Ritterhaus und die Knabenerziehungsanstalt
, zwischen den beiden Gattungen
in der Mitte stehen.

Aus diesen beiden Arten von Steinhäusern
hat sich dann eine dritte herausgebildet
und abgezweigt, die einen für das
Glarnerland typischen Charakter angenommen
hat und zur Spezialität unserer Strassen-
prospekte geworden ist, nämlich das Haus
mit geschweiftem Giebel oder geschweiftem
Mansardendach. Hier haben nicht Nützlichkeitsgründe
, sondern ästhetische Erwägungen
das entscheidende Wort gesprochen
; denn eine technische Nötigung zum
Verlassen der bisher alles beherrschenden
geradlinigen Konturen und zur Schweifung
der Giebel lag nicht vor. Man fand auf
einmal, das hinten vielleicht durch hässliche
Anhängsel entstellte Haus sollte wenigstens
vorn, nach der Strasse zu, ein gefälliges
Antlitz tragen. Daher wurde nun von der
Mitte des 18. Jahrhunderts an die bisher
ganz vernachlässigte Kurve zu Hülfe gerufen
, um durch fröhliche Schnörkel Bewegung
in die starre geometrische Abge-
messenheit zu bringen und der toten Fassade
, indem man sie in gebogene, hier
konvexe, dort konkave Rahmen fasste, zu
lebensvollem Ausdruck zu verhelfen. Es
war die Zeit des anderwärts bereits ausklingenden
Barocks. Die Nebeneinanderstellung
einer Anzahl solcher geschweifter
Giebel lässt erkennen, wie das einmal aufgetauchte
und eifrig ergriffene Motiv, das
die Silhouette des kühn aufsteigenden,
rundlichen Vorderglärnisch nachzuahmen
scheint, plötzlich mit wahrhaft erheiternder
Virtuosität nach allen Seiten variiert wurde.
Dieses vergnügliche Spiel ist jedoch nicht
ausschliesslich glarnerischem Witz und
glarnerischer Aufgeräumtheit entsprungen,
sondern weist auf fremden Einfluss hin.
Um Säntis und Altmann sehen wir schon
vorher dieselben Schweifungen, dieselben
Schnörkel, und eine ganze Anzahl gerade
der frühesten glarnerischen Schweifgiebelbauten
führen nachweislich auf einen Appenzeller
Bau- und Zimmermeister zurück, der
sich in und ausser der Schweiz eines bedeutenden
Rufes als genialen Holzbrücken-,
Haus- und Kirchenbauers erfreute und auch
im Glarnerland durch vier Jahrzehnte eine
vielbegehrte, vom Vertrauen der Behörden
besonders begünstigte Persönlichkeit war:
Ulrich Grubenmann von Teufen. Zu Anfang
des 18. Jahrhunderts als Sohn eines Baumeisters
dort geboren und 1783 gestorben,
hat er unter Beihülfe seines jüngern Bruders
Joh. Heinrich (oder Jakob ?) im Jahre
1743 die gedeckte Brücke in Ziegelbrück,
1765 und 1767 ebensolche in Schwanden,
Ennenda und Netstal, 1753 und 1761 die
Kirchen von Schwanden und Mollis, 1764
das Tschudihaus in Schwanden, zwischen
1762—70 ebendort das einstige Gasthaus


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