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zur Sonne, zweifellos auch das Haus Brunner
im Sand in Glarus, alle mit Schweifgiebeln,
und wohl noch zahlreiche andere erbaut.
Sicher ist, dass diese bisher hiezuland nicht
gebräuchlich gewesene Bauweise eben zur
Zeit seiner Anwesenheit hier aufkam und
sich rasch einbürgerte. Da sie eine willkommene
Abwechslung in die herrschende
Steifheit und Monotonie des Hausbildes
brachte, wurde sie von den einheimischen
Baumeistern mit Freude und Erfolg weiter
entwickelt, und heute noch übt sie ihre alte
Anziehungskraft aus. Das Aufblühen von
Handel und Industrie und die daraus hervorgegangene
Bevölkerungszunahme leisteten
der neu erwachten Baulust den besten Vorschub
; infolgedessen entstanden von der
Mitte des 18. Jahrhunderts an bis weit ins
19. hinein landauf landab eine Menge
solcher Häuser, wie dies auch in der Heimat
des Grubenmann der Fall war.
Es ging indessen neben dieser Entwicklung
nach bestimmten volkstümlichen Typen
eine davon unabhängige, völlig freie Bautätigkeit
her, welche sich unter fremden,
vorzugsweise französischen Einflüssen vollzog
und der wir eine Menge interessanter
Häuser verschiedener Stilgattungen verdanken
. Aus fremden Kriegsdiensten heimgekehrte
Offiziere, weitgereiste Kaufleute und
Architekten, die im Ausland studiert, Männer
, die sich von den heimatlichen Traditionen
emanzipiert hatten, machten sichs zur
Freude, ihren Mitbürgern etwas Neues zu
zeigen. So entstanden Renaissancebauten
wie der Freulerpalast in Näfels, die „Herrenstube
" in Bilten und die „Kapuzinerstube"
in Glarus, Barockbauten wie das Rothaus
in Näfels, das „Höfli", das „Haltli" und der
„Hof" in Mollis und solche im Empirestil
wie das Haus von General Franz Bachmann
an der „Letz" in Näfels und das Haus Wild-
Von der Krone in Mitlödi; so brachte auch
die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts dank
dein Aufschwung der Industrie besonders in
Glarus, Ennenda und Schwanden noch eine
stattliche Anzahl geschmackvoller Villen
hervor. Man wird es aber begreiflich finden,
dass manche Bauformen hier erst viel später
auftraten als anderwärts. Unser abgeschlossenes
Tal war zu allen Zeiten arm an eigenen
schaffenden Künstlern, musste auswärtige
Baumeister, Steinmetzen und Stukkateure
herbeirufen und brauchte Zeit, sich an bisher
Unbekanntes zu gewöhnen. Wir sehen
daher die Spätgotik hier noch in voller
Kraft stehen, als anderwärts die Renaissance
bereits ihre Blüte überschritten hatte, Renaissance
, Barock und Rokoko einerseits,
Rokoko und Empirestil anderseits sich nicht
selten wunderlich ineinanderschieben und
so manches, was sich in andern Gegenden
reich entfalten konnte, hier nur schüchtern
und kümmerlich sich hervorwagen. Hauptsache
aber ist, dass alle diese Kunstformen
uns im Bürgerhause doch nicht bloss im
Vorübergehen gegrüsst, sondern dauernd
eine nicht geringe Zahl schöner und charaktervoller
, zum Teil durchaus eigenartiger
Denkmäler hinterlassen haben.
Der Bestand an solchen war freilich vor
6 Jahrzehnten ein viel reicherer, als er es
heute ist. Denn bekanntlich ist am 10. Mai
1861 Glarus, der weitaus schönste Ort des
Landes, ein Raub der Flammen geworden,
dieser „herrliche, stattliche flecken, aus der
Massen schön erbauen", wie schon 1548
Stumpf ihn nannte, „einer Stadt gleich",
wie der Naturforscher Scheuchzer ihn 1705
fand. „In und nächst demselben", meldet
1774 Chr. Trümpi, „sieht man vorzüglich
schöne Privatgebäude". In der Tat besass
Glarus, das sich in malerischen Krümmungen
um den jetzt verschwundenen „Tschudirain"
gruppierte (s. Situationsplan), eine Menge
solcher Häuser gerade in den abgebrannten
Quartieren und darunter manche mit interessanten
Physiognomien, z. B. das schon
aus dem 16. Jahrhundert stammende Zwicki-
haus auf dem Adlerplatz mit Treppengiebel
(Tafel 2), das Haus von Richter Ebner
mit zierlichem Erker, die altertümliche Verwaltungskammer
mit angebautem Treppenturm
, die sog. Tschudihäuser von Generalfeldmarschall
Joseph Anton und Oberst Pasqual
von Tschudi, der überaus stattliche
Herrensitz „Hof" von Landammann Tschudi
etc. Das waren Häuser, die eine Geschichte
hatten, die einem etwas sagten und manche
reich verzierte Zimmerdecke, manches herrliche
Schnitzwerk, manchen prächtigen
Bilderofen, Schätze von kostbaren Möbeln
und Geräten, silbernen und goldenen Ehrengeschirren
, farbigen Wappenscheiben und
dgl. enthielten, mit denen sich heute ein
kleines Museum füllen Hesse. Da war
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