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Das Schönenbergerhaus in Mitlödi. Vor
1650. Dieses südlich der dortigen Kirche
gelegene, nach einem frühern Besitzer so
genannte Haus gehört zu der Gruppe jener
schönen, schlanken Steinhäuser mit spitzem
Giebel, die sich durch geschmeidigen Wuchs
auszeichnen. Die Fenster, vier Reihen übereinander
, sind samt den darunter angebrachten
Aufzugladen durch einfach geschnitzte
Holzrahmen in Gruppen zusammen-
gefasst: im ersten Stock 5 + 4, im zweiten
3 + 2, im dritten 5, im Giebel 1, die Schutztäferungen
über den Laden mit ursprünglich
farbigem Figurenschmuck von Jägern,
Hirten, Ornamenten und dgl. bedeckt, und
die einzige dazwischen leer gebliebene grössere
Mauerfläche in der Mitte war mit einem,
1914 leider verschwundenen, mächtigen
Reichsadler bemalt. Nachher wurden zwischen
dem ersten und zweiten wie zwischen
dem zweiten und dritten Stock keck vorspringende
, zierliche Schutzdächer der ganzen
Breite nach über die Fassade, das
untere auch über die Westseite durchgezogen
. Ein reich geschmücktes Haus also
mit froh belebtem, interessantem Angesicht,
dergleichen sich im Lande kein zweites
fand, mochte auch der künstlerische Wert
seiner malerischen Zierden ein recht bescheidener
gewesen sein. (Tafel 24, 25.)
Zur Bestimmung seines Alters bietet das
Reichswappen den einzigen sichern Anhaltspunkt
; denn die Zahl 1812 im Oberlichtgitter
der Haustüre belegt nur die Einsetzung
eben dieses Gitters, die Zahl 1759
oder 1757, die unter dem Wappen stand,
aber eine nicht mehr lesbare noch ältere
durchschimmern Hess, wohl nur die Anbringung
der Schutzdächer oder eine Auffrischung
des Reichsadlers. Dieser selbst
jedoch weist als Zeichen der Huldigung an
das deutsche Reich in die Zeit vor dem
Austritt der Eidgenossenschaft aus diesem,
also vor 1650, zurück; denn nach diesem
Ereignis hätte kein Eidgenosse dieses Wahrzeichen
der Untertänigkeit mehr an sein
Haus malen lassen. Noch näher bringt
uns dem Entstehungsjahre vielleicht die
Frage nach dem Maler, dem dieser etagenhohe
Wappen- und Figurenschmuck zu verdanken
war. Es gab im Kanton noch etliche
andere alte Häuser mit Fassadenmalereien,
z. B. das hohe Haus auf Beglingen mit
einem mächtigen geharnischten Ritter -
er soll den aus der Näfelser Schlacht bekannten
fliehenden Grafen Rudolf von
Werdenberg dargestellt haben —, in Glarus
das Zwickihaus mit zwei kämpfenden Rittern
, das Haus zum wilden Mann, an dem
ein solcher mit gewaltiger Keule, das
Schreckgespenst der Kinder, abgebildet war,
das alte Rathaus mit dem St. Fridolinswappen
u. a. m. Soweit bekannt, trugen
alle diese Schildereien ungefähr dasselbe
Gepräge. Nun gehörten das Reichswappen,
die Ritter, Riesen und wilden Männer, diese
Symbole der Kraft, zu den Lieblingsmotiv.en
des originellen bündnerischen Wandermalers
, Schullehrers und Chronisten Hans
Ardüser, den seine Sommervvanderungen
mehr als einmal, z. B. 1595, nach Glarus
führten. Seine Zeichnung war unbeholfen
und die Leuchtkraft seiner Farben ohne
Dauer, was alles auch auf das Haus in
Mitlödi passen würde. Sollte er der Be-
maler desselben gewesen sein, so müsste
es schon vor 1618 gestanden haben, denn
nach diesem Jahre sind keine Spuren seiner
Tätigkeit mehr nachzuweisen.
Die Bleiche in Nidfurn. 1686. (Tafel 25).
Dieses sechsstöckige, massive, durch seine
ungewöhnlichen Dimensionen auffallende
Giebelhaus, in dem eine Zeitlang eine Bleicherei
betrieben wurde, stammt nach der
über der Haustüre eingekerbten Ziffer aus
dem Jahre 1686. Bauherren waren Ratsherr
, Badener Landvogt und Landseckelmeister
Johann Jakob Blumer von Nidfurn
(1624—92) und dessen Sohn Samuel, Kriegsrat
, Zeugherr und Landvogt in Werdenberg
(1659 — 1726), der eine Tochter des reichen
Landvogts Heinrich Elsener aus dem Ritterhaus
in Bilten zur Frau hatte, woraus es
sich erklärt, dass zwischen diesen beiden
Häusern im Äussern und Innern so manche
Ähnlichkeit besteht. Die sämtlichen seitherigen
Bewohner des Hauses waren seine
direkten Nachkommen. Es ist das Stammhaus
eines grossen Teiles des weitverzweigten
Geschlechtes der Blumer in Nidfurn
, Thon und Schwanden. Seine innere
Ausstattung erhebt sich nicht über die des
einfachen Bauernhauses. Das einzige davon
Abweichende ist ein in Form und Grösse
dem Rittersaal in Bilten entsprechender,
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