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von Mollis, in zweiter mit Margarita Con-
vert von Neuenbürg, gestorben 1780, hatte er
1740 am Strengenbach in Glarus die erste
Baumwolldruckerei im Kanton errichtet
und Hess sich nun um 1746 in seinem an-
stossenden Gut „Wiese", man weiss nicht
mehr durch wen, vielleicht durch Ulrich
Grubenmann (S. IX), das Haus errichten, das
heute als das wohl am reinsten erhaltene
typische Denkmal der damals aufgekommenen
Glarner Schweifgiebelhäuser dasteht.
Der sehr stattliche, fünfstöckige Bau besticht
durch die vornehme Ruhe und Schönheit
seiner Linien, besonders auch des elegant
geschweiften hohen Giebels. Zur Zierde
gereicht ihm ein malerisch angesetztes achteckiges
Türmchen mit wälschem Hauben-
dach an der Rückfront, und charakteristisch
sind die erst vor kurzem in möglichster
Ähnlichkeit mit ihrem frühern Aussehen
wiederhergestellten Lisenen, die, gelb aufgemalt
, Pilaster mit Rokokoverzierungen
imitieren. Unten verschiedene Figuren und
das Tschudiwappen. Im selben Stil gehalten
sind die farbigen Ornamente, mit
welchen die Laden der obersten Giebelfenster
geschmückt sind. Solchen Schmuck
trugen einst sämtliche Fensterladen und
die Untersichten des Daches bis hinauf in
die Giebel, und über den Kreuzstöcken
waren gleichfalls bunte Malereien in der
Art derer über den Kellerfensterchen angebracht
, ein fröhliches Formen- und Farbenspiel
, das die Fassaden aufs angenehmste
belebte, leider aber dem nüchternen Geist
der vierziger Jahre zum Opfer fiel. Das
hübsche stichbogige, von Pilastern flankierte
Sandsteinportal am Haupteingang
und die darüber hervorragende Altane sind
1850 erstellt worden. Im übrigen zeigt das
Haus heute noch seine ursprüngliche Gestalt
. Auch im Innern. — Die Gipsdecken,
Getäfer und Öfen sind der Hauptsache nach
intakt geblieben. Im ersten Zimmer des
Hochparterres, dem Arbeitszimmer des Hausherrn
, sind beachtenswert der flachbogige
Eingang durch die dicke Innenmauer, eine
originelle Kasten wand mit Uhrgehäuse und
ein schöner Kachelofen aus dem Jahre 1771
von Heinrich Bleuler in Zollikon mit überaus
zierlichen, feinen Rokokoschildereien.
Auch in obern Zimmern befinden sich schöne
Exemplare alter Öfen von zylindrischer
Form. Von bestrickendem Reize aber sind
einige höher gelegene Zimmer durch den
Reichtum an vorzüglich schönen Stukkaturen
im reinsten Rokokostil. Diese über-
spinnen die Decken und Hohlkehlen mit
einem phantasie vollen Spiel von malerischem
Ranken- und Figurenwork der zierlichsten
und unterhaltsamsten Art. Embleme der
Jahreszeiten und der vier Elemente, Blumen
und Früchte tragende Putten, vergnüglich
sich regende Tiere, ganze Landschaften
mit Häusern, Burgen und Seen
bringen Leben und Fröhlichkeit in die ohnehin
schon frohmütig hellen Räume. Zwischen
diesen wohl in den siebziger oder
achziger Jahren des 18. Jahrhunderts entstandenen
Verzierungen und denen im sog.
Sonnenzeit in Dornhaus besteht eine so unverkennbare
Ähnlichkeit, dass sie derselben
Hand zuzuschreiben sind, was nicht auffällt
, da die Schwiegersöhne der beiden
Bauherrn Brüder waren. Dort waren Stuk-
katoren Peter Anton und Andreas Moos-
brugger aus dem Bregenzerwald (1774).
1778 vermählte sich Anna Maria Streiff,
die Tochter des Landmajors, noch nicht
16 Jahre alt, mit Joh. Heinrich Blumer von
Glarus, und zwei Jahre später, beim Tode
ihres Vaters, fiel das Haus diesem jungen
Paare zu, und sie bewohnten es bis 1799.
Da starb die Frau, und Blumer sah sich
genötigt, es zu verlassen. Es waren die
Tage der französischen Invasion, und Blumer
war ausgesprochener Franzosenfreund. Bei
ihm schlugen die hohen französischen Offiziere
(u. a. General Molitor) ihre Quartiere
auf. Als nun am 23. Mai 1799 die Österreicher
unter dem Jubel der altgesinnten
Bevölkerung in Glarus einzogen, floh er
bei Nacht und Nebel durchs Klöntal nach
Schwyz, liess sich dauernd in Wädensweil
nieder und verkaufte das Haus 1800 seinem
Bruder Chorherr Joh. Jakob Blumer (1756
bis 1825), der bisher bei seinem Schwiegervater
Landseckelmeister Schiesser im „Sonnenzeit
" zu Dornhaus gewohnt hatte. Dieser
widmete sich neben seiner Betätigung als
Kaufmann vielseitigen bildungsfreundlichen
Bestrebungen, liess sich u. a. in seinem
Hause eine ansehnliche, heute noch vollständig
erhaltene Bibliothek der besten,
neuesten Literaturwerke anlegen, die er unentgeltlich
auslieh, was in mancher Hin-
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