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sion aus dem sardinischen Kriegsdienst zurückzog
, während seine Truppen in andere
Regimenter versetzt wurden. Verdächtigt,
diese „für schweres Geld verraten" und
einen Teil nach Algier in die Sklaverei verkauft
zu haben, wurde er 1775 vor die
Landsgemeinde berufen und von dieser nach
zweitägigen stürmischen Verhandlungen zu
einer Busse von je einem Kronentaler an
jeden der 4000 evangelischen Mitbürger verurteilt
, eine Unbill, die er nachher mit reichen
Vermächtnissen an die Kirchen- und Armengüter
aller Gemeinden (mit Ausnahme der
zwei begütertsten) vergalt. 1798 beim Kampf
der fremden Heere im Kanton, als die Franzosen
auf den südlich ans Höfli anstossenden
Wiesen und die Österreicher oberhalb Näfels
ihre Lager aufgeschlagen hatten und die
Kugeln beständig herüber- und hinüberflogen
, mussten die Bewohner des Hauses
sich tagelang im Keller aufhalten.
Das Tschudihaus in Schwanden, 1764.
Ein Haus von Ulrich Grubenmann! Dieser
hatte (S. IX) kurz zuvor die neue Kirche von
Schwanden erbaut, wobei der Kirchenvogt
Abraham Tschudi, Wirt im Roten Haus
(1710—70), beständig mit ihm zu verkehren
hatte. Jetzt war G. wieder da, um nach
der Überschwemmung von 1762 eine neue
Linthbrücke zu erstellen. Diese Gelegenheit
benutzte der „witzige" Kirchenvogt, seine
bewährten Dienste für sich in Anspruch zu
nehmen. Das, wie die Lunette über der
Haustüre verkündigt, 1764 entstandene, nach
dem Bauherrn benannte Haus bildet zusammen
mit dem anstossenden Wirtshaus
zur Sonne ein ungemein schönes und stattliches
fünfstöckiges Doppelhaus, das sich
wie durch wohlproportionierte Verhältnisse,
so besonders durch einen wunderhübsch gesell
weiften Giebel auszeichnet. Die Schwingungen
desselben sind so kräftig, dass — ein
reizendes kleines rhythmisches Schauspiel
— selbst die Windenfenster davon mitgerissen
werden und sich in entsprechenden
Kurven gegeneinander bewegen. Das Bild
der Fassade war früher dadurch noch mehr
belebt, dass die Fensterladen alle mit farbigem
Schnörkel- und Ranken werk bemalt
waren. Auch verschiedene Zimmerdecken
zeigen Spuren einstiger Bemalung. Den
Eintretenden erfreut ein kunstvoll geschmiedetes
Gitter im rundbogigen Oberlicht der
Haustüre. Der Gang des Erdgeschosses ist
mit aufrechtgestellten, in Rechtecke zusam-
mengefassten Kieselsteinen gepflastert. Hübsche
Holzgeländer begleiten die Treppen
bis ins 5. Stockwerk, wo Winden zum Aufziehen
des Holzes und Balustraden zum
Schutz gegen Absturz angebracht sind. —
Das Haus vererbte sich bis gegen Ende des
letzten Jahrhunderts ständig in der angesehenen
Familie Tschudi. Die zwei letzten
Besitzer aus ihr waren Ärzte, der heutige
ist Kaufmann Heinrich Schwarz.
Das Sonnenhaus in Schwanden, 1762 bis
65 (Tafel 59), so genannt, weil es ein Jahrhundert
lang das Gasthaus zur Sonne war,
ist auch ein Tschudihaus und nach sicherer
Überlieferung ebenfalls von Grubenmann
erbaut. Wahrscheinlich zwischen 1762 und
65, da sein letzter nachweisbarer Aufenthalt
in Schwanden in diese Jahre fällt. Es zeigt
auch in manchem (Giebel, Kieselpflästerung,
Eisenhaken im Erdgeschoss, Treppenanlage)
unverkennbare Ähnlichkeit mit dem vorgenannten
von 1764. Infolge vielfacher Änderungen
im Innern ist freilich sein ursprünglicher
Zustand kaum mehr zu erkennen
. Architektonisch bemerkenswert ist
daran eigentlich nur noch die Dachkonstruktion
. Es ist Rücken an Rücken mit einem
andern Hause zusammengebaut. Die auf
der Abbildung (Tafel 59) nicht sichtbaren
Hauptfronten schliessen den 5 stöckigen Bau
mit geschweiften Giebeln ab, während auf
den Traufseiten dem Dache je zwei Mansardenbauten
aufgesetzt sind, die bis zur Höhe
der Hauptgiebel reichen und das diese verbindende
lange Dach quer durchstossen.
Daraus ergeben sich 6 Giebel; im First entstehen
zwei gleiche Kreuze, und ein ganzes
Dutzend Dachlinien laufen durcheinander,
für den Zimmermeister keine leichte Aufgabe;
aber Grubenmann hat sie gelöst. — Das
Haus bildete als Hauptgasthof mit Saal und
Orgel im dritten Stocke den gesellschaftlichen
Mittelpunkt des Fleckens. Hier fanden
die Tauf- und Hochzeitsschmäuse, die
„Sängermähler" und Tanzbelustigungen statt.
Hier hatten 1775 beim sog. Brigadierhandel
(S. XXVI) die 36 Mann, welche ein Schwager
des inkriminierten Generals Schindler
zu dessen Schutz angeworben, ihr Quartier,
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