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Hauseingang und die es rechts und links
einrahmenden, nach oben und den Seiten
ausgeschweiften reizenden Ausguckfenster-
chen, bei denen reich verziertes, neckisches
Gitterwerk dem Ankommenden die neugierigen
Augen des Beobachters verbirgt.
Im Innern sieht man sich zunächst in eine
dem italienischen Atrio ähnliche Halle versetzt
und von da durch ein sehr helles, geräumiges
Treppenhaus mit schönem, harthölzernem
Geländer in die Höhe geführt,
überall begrüsst vom Spiel abwechslungsreichen
Stukkaturwerks in zartem, zierlichem
Rokoko, das die Untersichten, Decken
und Superporten vergnüglich umflattert. Zu
grosser Schönheit erhebt sich dieser über
das ganze Haus verbreitete Schmuck besonders
im Saal und seinen Nebenzimmern,
welche die Strassen seite des dritten Stockes
einnehmen. Da hat die leicht beschwingte
Phantasie der Moosbrugger (S. XXIV) die
Decken mit Ornamenten, welche die im Glas
der Mittelfiguren sich spiegelnden Leuchter
zu umtanzen scheinen, belebt und in
den Ecken hier die vier Tages-, dort die
vier Jahreszeiten, am dritten Ort die Hauptbeschäftigungen
der Urzeit: Jagd, Fischerei,
Krieg und Landbau, gleichsam in lebenden
Bildern durch Knaben dargestellt, während
über den Türen am einen Ort ein Modell
des fertigen Hauses, am andern ein italienisches
Schloss am Meere und dgl., am
Eingang zum Schlafzimmer gar als Wecker
ein krähender Hahn in Hochrelief sich zur
Augenweide darbietet. Ein Haus also, in
das die Kunst bewusst als Verklärerin der
Häuslichkeit eingeführt worden ist. Nehmen
wir hinzu die schönen harthölzernen Türen
und Wandkästen, eine originelle Kamin-
und Uhreinfassung, einen Bilderofen von
Bleuler in Zollikon von 1773 und die stilvollen
Beschläge, Griffe und Schlüsselschilder
, so ergibt sich, alles zusammengenommen
, ein ungemein hübsches, froh-
mütiges und behagliches Heim, über dem
etwas vom heitern Himmel Italiens zu
leuchten scheint. Von dieser Stimmung
hat auch etwas abgefärbt auf die nahe
Kutscherwohnung mit ihrem malerischen,
säulengetragenen Vordach, dem die wäl-
sche Haube aufgesetzt ist. Heutiger Besitzer
ist Landrat und Gemeindepräsident
Glarner.
Das Haus zum „Sunnezyt" in Ennenda.
1780 — 82. (Tafel 57.) WTie das gleichnamige
Haus in Dornhaus hat auch dieses
seinen Namen nach einer grossen Sonnenuhr
, die in der Mitte der Südfassade zwischen
dem zweiten und dritten Stocke angebracht
ist. Über sie herab beugt sich
die von Künstlerhand flott und schön al
fresco in Überlebensgrösse hingemalte, kühn
bewegte Figur Saturns, des beschwingten
Titanen der Zeit, der mit hoch erhobener
Sense im raschen Flug der Stunden die
Menschen dahinrafft. Die sechs Fenster
breite Fassade ist im übrigen, abgesehen
von kräftigen Ecklisenen, schmucklos gehalten
. Im Innern des Doppelhauses ist für
bequeme Bewegung gesorgt durch ungewöhnlich
hohe, weite Hausgänge und fast
2 Vz m breite Treppen, die von massiven
harthölzernen Geländern eingefasst sind.
Die gegen Süden gehenden, frohmütigen
Wohnzimmer haben selten schöne nuss-
baumene Kastenwände mit geschweiften
Füllungen und mehrere Zimmer Bilderöfen,
worunter einer von Mathias Nehracher in
Stäfa von 1782 mit blau auf weiss gemalten
zierlichen Landschäftchen. Im dritten Stock
befindet sich der Saal, der sich durch eine
Gipsdecke mit Hohlkehlenverbindung und
einfachen, aber sehr geschmackvollen Stukkaturen
(grossliniges Ornament von mit
Gold überzogenen Rundstäbchen) von den
übrigen Zimmern unterscheidet, daneben
ein lauschiges, fröhliches Trinkzimmer, ge-
täfert, dessen zahlreiche, schmale Füllungen,
zwei Reihen übereinander, sämtlich mit
Malereien in Öl, Genre Louis XVI, geschmückt
sind, leicht und skizzenhaft mit
wenigen Farben und ohne grosse Kunst,
aber wirkungsvoll hingesetzten Phantasielandschaften
, die von Jägern, Fischern,
Bauern und allerlei Wandervolk belebt sind,
links neben dem Fenster die damalige
Aussicht auf Dorf und Kirche. Das von
schmucken Gärten umgebene, stattliche,
echt bürgerliche Doppelhaus wurde 1780
bis 1782 von den Brüdern Ratsherr Rudolf
und Schulvogt Balthasar Äbli, Grosskaufleuten
der sog. Wienerhandlung, erbaut.
Seither wurden die Hauseingänge, freilich
nicht in Harmonie mit dem übrigen Bau,
durch im Rundbogen geschlossene Türeinfassungen
und Umrahmung derselben mit
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