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Ist auch die Ausbeute historischen Materials
der frühesten Zeiten etwas kärglich,
so lässt sich doch annähernd an Hand der
Bodengestaltung ein Bild der ersten Stadthauperiode
festlegen. Diese Anlage fand sich
unzweifelhaft (11. Jahrhundert) auf der Höhe
der Molassekante am rechten Reussufer und
wird der heute in anderer Verdachung noch
bestehende Rathausturm (1350 neu erbaut),
einer der ältesten Befestigungstürme der
mehreren Stadt gewesen sein. Wie das
Kloster zu St Leodegar durch Mauern sich
schützte, so hat es nachmals auch die Wohnstätten
seiner Hörigen zu schützen gesucht.
Die erste Verbindungsstrasse zwischen
Kloster und Stadt wird über die Musegg
und das Wesemlin geführt haben, wenn man
den Namen der nachmaligen Wäggisstrasse
(jetzt Hertensteinstrasse) mit „Wäg us go"
deutet („am Weg uss", in Via). Sicher ist,
dass das Gebiet zwischen Stadt und Kloster
damals durch das Sumpfgebiet dem heutigen
Quai entlang und das Weygebiet (direkt dem
Kloster vorgelagert) unpassierbar war.
Wir haben also den ersten Stadteingang am
Nordabhange der Musegg beim Gragkentor
(niedergelegt 1860 — 64) zu suchen. Die
■ Stadt war im Norden, auf der Musegg durch
die Schlösser, resp. wohnturmartigen Häuser
Bramberg, Aarburg und Tannenburg geschützt
. Im Westen, an der Reuss sicherte
das dem Stift gehörige feste Haus Lugaten
(d. h. Auslug) vor Einfällen. Die Aarburg
stand auf Alienwinden und sind von ihr
noch eine Dohle und der Sodbrunnen erhalten
geblieben. Bei ihr und der Tannenburg
, näher der Stadt, führte der genannte
erste Weg, zugleich die Strasse nach Zürich,
vorbei.
Die Überlieferung nennt zwei Eckhäuser
an der Kapell-Eisengasse „Rotegg" (Hotel
Löwen) und „Blauegg" (vis-ä-vis). Das Haus
am Kornmarkt (Mazzolahaus) heisst 1543
in einer Schiedsurkunde und 1572 in einem
Kaufbriefe das „Haus zum Rothen Thum".
„Ist eyn Egghuss, stosst einthalb oben an
Jacob Schumachers Huss, andersytts an
das Gesslin gegen dem Salzhuss, binden an
Saltzbrunnen, vornen an die Gassen gegen
Kornmerckt". Das Haus liegt neben oder
in der Befestigung, die in einer Verbindungslinie
des Gragkentors mit dem Rathausturm
zu suchen sein wird, und dürfte seinen
Namen auf einen Torturm der Kapellgasse
zurückführen, dessen Westfront auf den
ausserhalb der Mauer anschliessenden Marktplatz
(Kornmarkt) herniederschaute. Eine
für Privatbau allzustarke Brandmauer, mit
3 X 2,5 m Verdickung, am v. Pfyffer-Hause am
Hirschenplatz, Süd-Nord verlaufend, dürfte
genannte Festungslinie genauer fixieren.
Das Salzhaus (heutige Werchlaube) und
der Salzbrunnen waren anno 1543 jedenfalls
schon ältesten Baudatums und Letzterer, anfänglich
von dem spärlichen Schichten wasser
der Musegg gespiesen, bildete quasi den Teilstock
für die tiefergelegenen öffentlichen
Brunnen. Sein Wasser wurde zugleich für
die dortigen privaten Fischtröge benützt.
Salzhäuser und Hauptbrunnen spielten beim
Städtebau von jeher eine vitale Rolle und
waren deshalb stets innert dem Mauerschutze
zu finden. Der gegen den See abfallende
Ostrand der Stadt, vom Kapellplatz bis
Grendel (Falkenplatz) war mit Schilf und
Wasser bedeckt, ebenfalls der Grendel.
Es mag übrigens von Interesse sein, dass
im Jahre 1895, anlässlich des Waschküchenumbaues
des Hotel Schwanen, ein überwölbtes
Mauerstück zum Vorschein kam,
mit guterhaltener Aufmalung eines Totenkopfes
mit gekreuzten Schenkeln und Umschrift
„Hodie mihi cras tibi". Wir haben
es hier mit einem Überreste der Friedhofkapelle
(Beinhaus) zu tun und beweist uns
dieser Fund, dass der 1236 schon existierende
Friedhof der Kapellkirche, letztere laut
Schilling 1174 erbaut, nicht nur den Kapellplatz
begrenzte, sondern sich bis zum Grendel
ausdehnte, was übrigens durch den Namen
des Rosengartenturmes noch augenscheinlicher
wird (Rosengarten bedeutet Friedhof
). Ebenfalls nannte sich der in der Nordaxe
befindliche Sternenplatz „der grüne Platz".
Vom Grendel zog sich eine sumpfige Mulde
beim Gragkentor vorbei gegen Westen an
die Reuss, der nachmalige Löwengraben.
Die erte Stadt war also von folgenden Linien
begrenzt: Vom Rathausturnie südlich der
Reuss entlang in der Richtung Furrengasse-
Kapellplatz. Im Osten: Kapellplatz-Sternenplatz
-Schwarztor. Im Norden: Löwengraben
bis zum Bossardhaus. Im Westen: Löwengraben
-Hirschenplatz-Kornmarkt. Die Tore,
Tortürme und Ecktürme sind an den umgrenzten
Gassenenden zu suchen.
VUi
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