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jeden Handwerkes und der Kunst. Daneben
geborenes Kaufmannstalent, wusste er das
Ansehen seiner Familie durch königliche
und fürstliche Einkünfte zu mehren. Glückliche
Heiraten mit vier fremden Frauen
brachten ihn in den Besitz weit zerstreuter
Güter. Daneben besass er einen Teil des
Schlosses Buonas am Zugersee. Seine erste
Frau, eine Baslerin (wie seine Grossmutter
schon), war Veronika Seevogel, welche Verbindung
den Herbeizug Hans Holbein d. J.
zur innern und äussern Bemalung seines
neuen Hauses in den nachgewiesenen Jahren
1517 — 1519 erklärlich macht.
Das Hertensteinsche Haus, leider 1825
niedergelegt, besass ein Kellergeschoss zu
ebener Erde, zwei Wolmgeschosse und im
obersten Teil ein Representationsgeschoss.
Der Grundriss bildete ein Rechteck von
14,15 X 15,15 m Seitenlänge.
Das Kellergeschoss zeigt in der Mitte
der Platzfassade die Eingangstüre. Links
und rechts davon angeordnet (3 + 1) die
liegenden Kellerfenster. Im ersten Stock
sind die Fenster in ihrer Höhe den Innen-
räumen angepasst, in Gruppen viermal gekuppelt
und eines davon ist mit einem hölzernen
Blumenerker, spitzverdacht, versehen.
Letztere tragen gewöhnlich im Boden einen
kleinen Geldschlitz für den Hausbettel und
sonstige Geldsammeleien. Der zweite Stock
zeigt vier regelmässig verteilte Fenster, ebenfalls
der oberste dritte Stock, in ihrer Höhe
dem Zweck entsprechend. Finden wir bei
den Landhäusern (gemeint sind sog. Junkersitze
) die Vergnügungsräume, Säle, Theater,
Kapellen, zu ebener Erde, den Kellern angegliedert
, so treffen wir dieselben in der
Stadt, dem Winterquartiere, stets über den
Wohnräumen, da sie hier seltener gebraucht
wurden. In solchen Sälen wurden auch gewöhnlich
die Bibliothek und die Familienarchive
untergebracht, deren Inhalt mit der
Kostbarkeit der Einbände manchmal wetteiferte
.
Zeigen die Fenster und Türen noch gotisches
Masswerk, dem wir übrigens bis tief
ins 18. Jahrhundert hinein noch begegnen,
so schloss die Fassade des Hertensteinhauses
mit einer weitausladenden Hohlkehle, über
den Fenstern mit Bogenzwickelu versehen,
die sich auf Konsolen stützten. In der Bemalung
der innern Räume und der äussern
Fassadenfläche fand Hans Holbein d. J. die
erste grössere dekorative Kunstaufgabe
seines Lebens.
Die teilweise in leider etwas zu empirehafter
Kunstauffassung erhaltenen Kopien
von 1825 bringen uns im Innern der Räume, mit
dem religiösen Sinnen und den familiären
Gewohnheiten des Besitzers in nähere Berührung
. Davon zeugen die Darstellungen
der 7 Schutzpatrone der Familie Hertensteil),
die 14 Nothelfer, eine Prozession, eine Bettel-
fuhr, der Jungbrunnen, eine Hirschjagd beim
Schloss Buonas und eine Entenjagd mit der
Darstellung des Schlosses Buonas und den
Portraitfiguren des Besitzers und seiner
Familie.
Der Fassadenschmuck hingegen ist ganz
dem figuralen Ausdrucke der Tugenden des
klassischen Altertums gewidmet. Einem
dazumal modernen Begriffe der kommenden
Renaissance entsprechend und in Anspielung
damaliger Verhältnisse. Wir finden da als
Zwischenfüllsel der obersten Fensterpartie
von links: 1. Die Versinnbildlichung der
Strafe des Landes verrat Versuches durch den
Feind, Schulmeister Falerii. 2. Die Treue
einer Kurtisane. Laeana beisst sich vor dem
Richter die Zunge ab, um nichts aussagen
zu können. 3. In der Mitte, die Heldengrösse.
Mutius Scävola vor Porsenna und die Ermordung
des Schreibers. 4. Die Gattentreue,
der Selbstmord der Lucretia vor Collatinus.
(Der Freskenteil des letzteren befindet sich
als überbliebenes Original im Besitze der
Kunstgesellschaft von Luzern.) 5. Die Selbstaufopferung
. Markus Curtius stürzt sich in
den Abgrund.
Der Raum zwischen oberer und unterer
Fensterreihe bildet der nach der Kapellgasse
zu marschierende Cäsarsche Triumphzug,
eine Komposition, die Mantegna nachempfunden
sein dürfte. Zwischen die darunterliegenden
Fenster des zweiten Stockes
verteilen sich in perspektivisch gemalten
Bogennischen die Allianzwappen der vier
Frauen mit den Heiratsdaten. Von links:
Hertenstein-Seevogel 1489; Hertenstein-Mangold
1495; Hertenstein- von Wattenwyl 1512;
Hertenstein- von Hallwyl 1514. Als Mittelbild
bis zum Sturze der Fensterreihe des
ersten Stockes reichend, steht als Symbol
der Pietät die Königsprobe, ein aus dem
Sagenkreise der Gesta Romanorum ent-
XVI
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