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Bauleute, sowie die Materialien von Lu-
zern.
Die ehedem romanische Stiftskirche hat
ihre eigene Baugeschichte. Beim Brande von
1386 ging nur die St. Galluskapelle heil
aus den Ruinen hervor. Unter Benützung
von noch erhaltenen Bauteilen wurde sie
bald nachher aufgebaut.
Im Jahre 1576 bittet der Probst den
Bauherrn von Luzern, ihm zur Ausbesserung
des Chores die nötigen Steine durch
Jost Murer verabfolgen zu lassen. Eine
Generalrestauration wurde in den Jahren
1601—1606 vorgenommen. Es scheint, dass
hiebei Meister Antony Isenmann, der Baumeister
des in dieser Zeit verfertigten Rathauses
zu Luzern, zugezogen wurde, da er
1608 das unterste Glockenturmgewölbe der
Kirche einspannte. Die Chorstallen wurden
1606 durch die Gebr. Melchior und Heinrich
Fischer aus Laufenburg gearbeitet. Den Vorwurf
von 10 daran angebrachten, geschnitzten
Reliefs bildete ein Bilderzyklus des
berühmten Kupferstechers Heinrich Goltzius,
gest. 1617, von Heemskerken (Holland).
Ausgeführt wurden sie 1606—1607. Von
Nikiaus Erzinger stammen die Paramenten-
schränke, Wände und Plafonds in der Chorherrensakristei
, 1629 erstellt.
Die Holzbildhauer arbeiteten bei zyklischen
Werken gewöhnlich nach Vorbildern
bekannter zeitgenössischer Künstler. So hat
H. H. Pfarrer Th. Bucher von Pfaffnau
jüngst den Nachweis erbracht, dass die
Reliefs des berühmten Chorgestühls von St.
Urban, 1704 ausgeführt durch die Gebr.
Fröhlicher von Solothurn uud Wüest, die
„Hist. Bilderbibel" von Kupferstecher Joh.
Ulr. Kräüsser aus Augsburg, 1702, zum Vorbild
hatten. Ebenso tragen die dortigen
Öfen und jene im Kaplaneihause Pfaffnau
(erb.1765) Kacheln, deren Bilder diesem
Werke später noch entnommen wurden.
Die Restauration der Jahre 1692—93
brachten eine durchgreifende Änderung.
Das Presbyterium erhielt eine Kuppel, der
Kirchenraum drei Orgeln und neue Altäre
mit Schnitzereien von Nikiaus Müller in
Luzern. Die Gemälde der Kuppel und Altare
wurden an Johann Brandenberg von Zug
vergeben.
Einer spätem Stilmode fielen 1774—75
die Altäre wieder zum Opfer. Die Säulen
der alten romanischen Baute wurden schon
früher ummantelt.
Die rechts, an der Südostecke der Kirche
sich befindliche St. Galluskapelle wurde
1639 renoviert und Ende desselben Jahrhunderts
mit der interessanten Barockdecke
geziert, auf die wir schon hingewiesen
haben.
Der Bau der ehemaligen Diakonal-, jetzt
Leut- oder Pfarrkirche, datiert 1623. Sie
wurde durch Viktor Martin, aus Tirol, an
Stelle der baufälligen ältern errichtet. Martin
war auch Erbauer der alten Pfarrkirche
in Eschenbach. —
Was dem lieblichen Flecken den Anblick
eines Städtchens verleiht, das sind die Verwaltungsbauten
des Stiftes, die Probstei,
die Kusterie, sowie die Chorhöfe, welch
letzteren nicht selten Speicher und Scheunen
angegliedert sind.
Dem Ende des 15. und Anfang des 16.
Jahrhunderts gehören die Chorhöfe des
Friedrich Lütishofen (Umbau durch Singer
1794) und des Peter von Hertenstein an.
Die Probstei und Kusterie 1784—1786 erbaut
, erhielten jedenfalls von Purtschert und
Singer die gegenwärtige, prächtige architektonische
Gestalt. Ausser den Wohnhäusern
für Probst und Kustos besass das
Stift 19 Chorhöfe und 14 Kaplanenhäuser,
der Flecken 7 Gasthöfe, 2 Mühlen und 1
Kaufhaus.
Stift und Flecken wurden 1798 von den
Franzosen ausgeplündert und der hervorragende
reiche Stiftsschatz nach Luzern
verschleppt, um gemünzt zu werden oder
nach Paris zu wandern. Ein Teil davon
konnte durch Intervention der Regierung
gerettet werden. Immerhin war die Franzosenzeit
für das Stift, dem hohe Kontributionen
aufgebürdet wurden, ein harter
Schlag, von dem es sich nicht mehr erholen
konnte.
An Profanbauten ist interessant das
Amtshaus, Gasthaus zum Hirschen mit gotischem
Treppengiebel und breiter Front. Die
spitzbogige Eingangstüre trägt das Bauda-
tum, nebst dem Wappen des Besitzers, Hans
Herzog, 1536. Originell ist die Fenstersäule
der Gaststube. Aus einem Akkantusstock
wächst gotisches Stabwerk.
In früherer Zeit entstanden sein dürfte
das Haus am Staldenrain, genannt „das
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