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werken, die drei Raum tief gewesen sind.
Im Laufe der Zeit haben sie mehrfache
Änderungen erfahren. So fielen die Türen
am rechten Teile der beiden Häuser weg,
und die Fensterkreuze wurden zur Vermehrung
des Lichteinfalls entfernt. Der
untere Teil von Nr. 13 ist durch die Buchstaben
WM und die Jahrzahl 1560 als Haus
des Pfarrers Wolfgang Musculus oder Müsli
gekennzeichnet. Die Stadt gab an den Bau
eine Beisteuer von 66 Pfunden 13 Schillingen
und 4 Pfenningen. Die Mahnung des Apostels:
„trinke wenig Wein", steht in griechischen
Lettern (oino oligo chro) über dem einstigen
Kellereingang, der durch den Fussteig beseitigt
wurde. Der obere Teil von Nr. 13
gehörte dem Daniel Bikhard, der 1569 Mitglied
des Grossen Rates wurde. Eigentümer
des untern Teiles von Nr. 15 war 1557 (Zahl
unten an der Fenstergurte) Simon Zehender,
der in das untere Erkerhaus am Zeitglockenturm
zog. Der obere Teil gehörte schon
damals meinen gnädigen Herren, die es als
Wohnung des Helfers verwendeten.
Holländerturm, Dachstube im Nydegg-
hof, Treppentürmchen.
(Tafel 13.)
Das erste Bild zeigt den sogenannten
Holländerturm in der zweiten Befestigungslinie
der Stadt (von circa 1256). Er führt
seinen Namen, weil einst im obern Stübchen
Berner Offiziere in holländischen Diensten
dem verbotenen Genüsse des Rauchens
fröhnten. — Vor 30 Jahren wurde die unrichtige
Jahrzahl 1230 am Turme angemalt.
— Das vorkragende, durch Büge gestützte
Dachgeschoss im Nydegghöflein hiess im
18. Jahrhundert im Volksmunde „Zimmer
des Fräuleins von Zähringen" (Gruner, De-
liciae, 473). — Das dritte Bild reproduziert
den Treppenturm mit Giebelüberii achung aus
dem 17. Jahrhundert und die hintere Fassade
des Hauses Nr. 6 der Kirchgasse. Im nämlichen
Hofe steht der zum Hause Nr. 7 der
Kramgasse gehörende Treppenturm mit
oberer Stube und schlankem Helm. — Auf
Tafel 16 ist noch die Planaufnahme der
Treppenturmstube nachgetragen, sowie diejenige
des Hauses, das der Schultheiss Hans
Franz Nägeli 1556 für seinen Sohn Hans
Rudolf erwarb und das damals eben neu
erbaut war.
Neuengasse Nrn. 8, 6 und 4.
(Tafel 14.)
Nr. 8, ein gefälliges, künstlerisch beachtenswertes
Haus, verrät durch Grund-
riss, Fassade und Dach mit Gesims aus
Stein die Bauweise, die sich nach französischen
Mustern im Anfang des 18. Jahrhunderts
in Bern entwickelte. Landvogt
Franz Ludwig Manuel, der 1712—18 als
solcher in Trachselwald residierte und 1722
starb, muss der Erbauer des Hauses gewesen
sein. Er war auch der Bauherr des
durch die hintere Front anstossenden grossen,
schönen Hauses Nr. 12 am Waisenhausplatz.
Welches der beiden Häuser zuerst erstellt
wurde, lässt sich schwer sagen. Der Grund-
riss von Nr. 8 ist zwei Raum tief und zeigt
als Fortschritt gegenüber früheren Bauten
einen wohlgelegenen Flur, von dem aus
jeder Wohnraum seinen eigenen Zugang
hat. Der eingezogene Abort lässt erkennen,
dass sich die damaligen Baumeister durch
keine aesthetischen Rücksichten gehemmt
fühlten, wenn es sich um hygienische Bedürfnisse
handelte.
Einen auffallenden Gegensatz dazu bieten
die beiden benachbarten Ständerhäuschen
Nrn. 6 und 4. Sie gehören zur nämlichen
Kategorie, wie diejenigen der Herrengasse
und der Kesslergasse und waren immer von
bescheidenen Handwerkern bewohnt.
Kirchgasse Nr. 6.
Gerechtigkeitsgasse Nr. 33.
(Tafel 15.)
Ein vortreffliches Beispiel deutscher Renaissance
-Architektur in Bern bietet das
Haus Nr. 6, dessen ganze Fassade vom Jahre
1609, so wie sie Junker Barthlome May aufführen
Hess, erhalten ist. Sein Wappen und
dasjenige seiner Frau, Elisabeth geborne von
Wattenwyl, schmücken die Giebelfelder der
zwei Fenster im ersten Stockwerk. Der
Grundriss dieses Geschosses ist zwei Raum
tief, es ist mit der Dependenz und dem
Abort im Flügelbau im Hofe verbunden.
Die Hofseite hat die gotische Fassade von
1559 und ihre Lichtöffnungen mit Stabfüssen
XXXI
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