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über den Baumeister geben. Der Architekt
beurteilt ein Bauwerk in erster Linie nach
dem Objekt selber, die Grundrissanlage, die
Fassaden, die Ausbildung der Einzelteile
und das kleinste Profil sagen ihm mehr als
die schönste Urkunde. Es soll deshalb untersucht
werden, was für die bauliche Entwicklung
im Aargau inbezug auf Anlage
und Form wesentlich ist. Ausgehend von
der Stadtanlage soll das Einzelhaus in
Grundriss und Aufbau betrachtet werden,
einschliesslich der Teile und Materialien,
die eine künstlerisch bemerkenswerte Ausbildung
erfahren haben.
Über die Stadtanlage und die Siedlungsform
geben die einzelnen veröffentlichten
Pläne Aufschluss. Die Einteilung der Strassen
und Baublöcke geht überall auf das
Mittelalter zurück. Die Entwicklung im 18.
Jahrhundert erfolgt längs den Landstrassen
ausserhalb der Tore. Eine Gruppierung der
Bauten oder Neuanlage von Plätzen, wie sie
im Geiste der Stadtbaukunst des 18. Jahrhunderts
liegt, ist nirgends versucht worden.
Einzig für Aarau wurde 1799 ein Überbauungsplan
geschaffen, der aber nur zu
einem kleinen Teil ausgeführt ist. Einige
Landhäuser, zum Beispiel der Mühlebifang
bei Zofingen, haben durch Anlage von Pavillon
, durch geschickte Gruppierung der
Nebengebäude und durch den regelmässigen
Garten eine Wirkung erhalten, die ganz im
Sinne dieser Zeit lag. Die wichtigsten Gassen
der Altstadt sind der Verkehrsrichtung
der einmündenden Landstrassen angepasst.
In Aarau und Lenzburg sind die Gassen
beim Rathaus so breit, dass auf denselben
der Markt abgehalten werden kann. Merkwürdiger
Weise ist das Motiv der Arkade
oder Laube, das den Gassen vieler Schweizer
Städte einen so charakteristischen Zug verleiht
, im Aargau fast gar nicht vertreten.
Einzig Zofingen hat bei zwei Bauten Konstruktionen
, die man als Laube bezeichnen
kann. Hingegen besitzen Brugg, Zofingen
und Lenzburg erhöhte Trottoir. ähnlich wie
sie im Kanton Bern zum Beispiel in Thun
üblich sind. Durch die Strassen der Städte
fliesst der jetzt fast überall zugedeckte Stadtbach
, der schon in den Zähringerstädten eine
wichtige Rolle spielte. Zofingen und Brugg
besitzen bemerkenswerte Platzanlagen. Auch
der Platz vor dem Regierungsgebäude in
Aarau ist in seiner Art wirkungsvoll. Öffentliche
Brunnen beleben das Strassenbild,
doch sind von denjenigen mit Standbildern
nur noch je einer in Lenzburg und einer
in Rheinfelden erhalten.
Wenn wir von der Stadtanlage zum Einzelobjekt
, zum einfachen Bürgerhaus übergehen
, so stossen wir auf einen Typus, wie
er sich in vielen Kantonen und auch im
Ausland findet. Auf dem schmalen Grundstück
ergab sich in dem eingebautem Haus
ein Raum gegen die Strasse und einer gegen
den Hof oder Garten. Die Treppe wurde
in der Mitte zwischen beiden Räumen oder
im Hof angeordnet. Einzig bei den auf Eckgrundstücken
erbauten Häusern erhalten
wir komplizierte Grundrisse. Manchmal wurden
zur besseren Beleuchtung Innenhöfe vorgesehen
. Das Weibezahlhaus in Aarau gibt
uns ein gutes Beispiel mit einem Hof von
kleinsten Dimensionen. Nach Bränden oder
bei Umbauten wurden manchmal zwei oder
mehrere Häuser zu einem zusammen gezogen
. Doch gibt es noch eine grosse Anzahl
Bauten, die auf der ursprünglichen
Parzelle stehen und die Breite von zwei
Fensterachsen oder einem drei- oder vierteiligen
gotischen Gruppenfenster haben. Die
Anlage des Grundrisses ist auch bei grösseren
Objekten meist einfach; die Räume
liegen zu beiden Seiten eines durchgehenden
Mittelganges an den seitlich oder in der
Achse das Treppenhaus anschliesst. Erst das
18. Jahrhundert brachte uns Grundrisse mit
einem Längs- und einem Quergang, die das
Haus kreuzförmig trennen. Das Mayenfischhaus
in Kaiserstuhl hat mit seinem Haupt-
bau und den Seitenflügeln eine Grundrissform
, die im Aargau keine weitere Verbreitung
gefunden hat. Der komplizierte
Grundriss des Regierungsgebäudes in Aarau
ist erst durch die Flügelanbauten anfangs
des 19. Jahrhunderts entstanden.
Der äussere Aufbau war in der Regel
einfach. Fassaden mit sichtbarem Riegelwerk
kommen beim Bürgerhaus selten
vor, hingegen ist das verputzte Fachwerk
als Mauerkonstruktion noch oft vertreten.
Bei Massivbauten war verputztes Mauerwerk
üblich, wobei die Tür- und Fenstereinfassungen
und die sonstigen Architekturteile
in sichtbarem Haustein ausgeführt sind.
Solche Teile sind Gesimse, Hausecken^
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