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neue Fassade vorgelegt, wie dies bei anderen
Bauten vorkommt, zum Beispiel beim Ochsen
in Zofingen. Der Schneggen und das untere
Tor sind verschwunden. Von den bis heute
erhaltenen Teilen ist die Strassenfassade
bemerkenswert; sie zeigt in der Höhe eine
Dreigliederung, wie sie im Aargau sonst
nicht üblich ist. Das Erdgeschoss ist als
Sockelgeschoss ausgebildet, die zwei folgenden
Stockwerke sind durch Ecklisenen mit
Quaderteilung zusammengefasst, dann folgt
ein Gurtgesims und im vierten Geschoss
Pilaster, die gegenüber der untern Architektur
leichter erscheinen. Das Portal mit
dem Lenzburger Wappen hat die Inschrift:
„Asylum sicogit Egestas." Die Steinfassade
gegen den Graben ist mit Benützung der
Stadtmauer hergestellt und hat keine formale
Gliederung. Auch im Innern ist nichts bemerkenswertes
erhalten.
Literatur: Keller-Ris, Lenzburg im 17. Jahrhundert
.
Bertschingerhaus am Lindenplatz.
(Tafeln 52 und 53.)
Die frühere Bezeichnung dieser Gegend
hiess Ziegelacker. Bauherr des Hauses ist
Abraham Bertschinger, dessen Monogramm
in den Gittern über den zwei Haustüren zu
sehen ist. An den Hauptbau schliesst sich
ein wahrscheinlich älterer Teil an, der im
Erdgeschoss gewölbt ist. Das ganze Erdgeschoss
war früher Lagerraum mit einem
Bureau. Eine Verbindung zwischen beiden
Teilen bestand nicht, und erst als anfangs
des 20. Jahrhunderts auch unten eine Wohnung
eingerichtet wurde, brach man in den
dicken Mauern Türen aus. Da der schmale
gewölbte Teil im Erdgeschoss höher ist, so
sind auch die im I. und II. Stock darüber
liegenden Zimmer um einige Stufen höher,
als im Hauptbau. Auf der Nordseite ist
durch Anlage eines Nebengebäudes und
einer Freitreppe mit Terrasse ein Hof entstanden
, der trotz aller Einfachheit gut
wirkt. Die Details des Hauses, besonders
der Steinhauerarbeit, zeigen Ähnlichkeit mit
Bauteilen am Zweifelhaus an der Aavorstadt.
Haus zum Landgericht.
(Tafel 54.)
Riegelbau in der Aavorstadt mit schönem
Erker. Das Fachwerk wurde bei der Renovation
1911 wieder freigelegt. Nach den
Holzbildhauerarbeiten am Erker kann die
Zeit der Erbauung auf die Zeit um 1700
angesetzt werden. Vielleicht ist aber das
Haus etwas älter als der Erker. Der Bau
hat durch Höherlegung der Strasse etwas
von der ursprünglichen Wirkung eingebüsst.
Haus von Frau Dr. Müller am Bleicherrain
.
(Tafel 55—58.)
Bauherr war Amtmann Hieronimus Hüner
wadel. Die Familie Hünerwadel wanderte
1601 von Schaffhausen her ein. Martin H.
errichtete 1688 eine Bleiche am Aabach;
Markus H. gründete 1732 eine der ersten
Indienne-Fabriken in der Schweiz. Auf
diesem seit Jahrzehnten der Familie gehörenden
Gelände entstand Ende des 18. Jahrhunderts
eine Gebäudegruppe, bestehend aus
dem Wohnhaus als Mittelpunkt, dem Stall
und Ökonomiegebäude und der „Färb". Das
Jahr des Baubeginns ist nicht genau bekannt
; ein Ofen im I. Stock hat die Jahreszahl
1785, das Gartenportal vom Hof zum
Gemüsegarten 17 A. K. 91. In der Terrassenmauer
vor dem Haus findet sich in einem
Stein folgende Inschrift: „Rest von Gemäuer
dess 1 ten Jahrhundert ausgegraben beym
Lind Ao 1805". Ob dieser Stein wirklich
von einer römischen Mauer stammt, haben
wir nicht zu untersuchen, aber auf jeden
Fall wurde 1805 an der vordem Stützmauer
gebaut. Der grösste Block dieser Mauer hat
folgende Abmessungen: Breite 5,95 m, Höhe
0,88 m, die Tiefe konnte nicht festgestellt
werden. Der Keller ist unter der Terrasse
weitergeführt und ist von der tieferliegenden
Privatstrasse ohne jedes Treppensteigen zugänglich
. In der Aussenarchitektur ist das
dreigeschossige Haus gut gegliedert; der
Eindruck der Vorderfassade wird durch die
Terrassierung des Gartens gesteigert. Auf
der Rückseite springt das Treppenhaus vor
und ist oben durch einen Flachgiebel abgeschlossen
. Das Dachgesims zeigt zum
erstenmal in Lenzburg Konsolen in Holz.
Die alte Kantonsschule in Aarau hat genau
das gleiche Dachgesims. In Lenzburg finden
wir am Haus der Frau Oberst Bertschinger
und einem Hause am Aabach (nicht im
Band abgebildet) die weitere Entwicklung
des Konsolenmotivs im Dachgesims. Von
XXXV
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