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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_14_1924/0014
schon ein so starker Turm, dass es gelang,
den grossen Meisterzug zu tun. Der Rat entsandte
Boten nach Wien, wies auf die verkohlten
Pergamente und Freibriefe und erhielt
zu allen alten Rechten neue. Als dann
Comander noch die neue Lehre brachte, da
war der Bischof völlig aus der Stadt auf den
Hof zurückgedrängt; was in einem früheren
Streit derb tatsächlich geschah: dass die
aufgebrachten Bürger ihm das „Törli vermauert
", blieb nun in urbanerer, übertragener
Form ein rechtlicher Zustand, der
bangeschichtlich später wichtig werden sollte.

Aber die Hauptsache blieb doch, wer
die Säumerei am Halfter hatte. Nun hatte
ein Schiedsspruch von 1422 schon den Chu-
rern die „Porterey" bestätigt, die der Bischof
früher allein innegehabt. Besonders
ertragreich wurde dieses Recht aber nach
1473, da die kühnen Männer von Thusis,
Cazis und Masein die „via mala" durchschlagen
und damit einen grossen Teil des
Verkehrs, der — den Bündner Pässen wegen
der schlechten Wegsame entfremdet — über
den St. Gotthard gegangen war, auf die
untere Strasse umschaltete. Mit der Porterey
müssen auch die Herbergen, deren der Bischof
in der Stadt zehn offen hielt, nach
und nach in die Hände der Bürger gefallen
sein.

stadtanskhten. Von dem Bild der Stadt, wie sie aus
dem ersten Brand neu hervorgegangen war,
gibt uns J. Münsters Kosmographie von 1556
(Titelbild) nur unvollkommen Kunde. Alles
ist im Sinne der damaligen Stadtansichten in
zeichnerischer Kurzschrift mitgeteilt. Nur
was dem Porträtisten wesentlich schien,
einige hervorstechende Gebäude, den grossen
Zug der Stadtumwallung, die Verteilung der
Akzente und Gruppen stellt er dar. Immerhin
ist von Wohnhäusern deutlich Plana-
terra zu erkennen, das seine ganze Wehr,
die Mauern mit Tor und das zinnengekrönte
Dach in den Stadtring hineingenommen.
Wie es auf dem Hof aussah, zeigt schon
wesentlich gründlicher und mehr der naturalistischen
Sehweise angenähert, ein
anderer Schnitt in Sebastian Münsters Kos-
mographia (Tafel 2): an die Ruine des
Marsöl angelehnt das Schloss, ein noch
planlos wirkender Bau, der nach Münsters
Bericht jedoch „hübsch geziert mit gemeldt
(Gemälden) und mit täfelten Stuben und

anderen gemachen" wohl ausgestattet war.
Im übrigen sind die Pfeiler der ganzen Anlage
, die Türme, das Tor mit der Chorherren
-Trinkstube sowie Wolmtürme von
der Art, wie sie im Kloster Münster noch
stehen, mit Zinnen und einfachem Pultdach,
— hier nach innen abfallend, damit in Belagerungszeiten
das Regenwasser nicht verloren
geht. Zwischen diesen Pfosten stehen
als Verbindungstrakte die Häuser der Beamten
und des Probstes, alles ungeregelt
und dem nächsten Zweck zu Gefallen aneinandergefügt
.

Aus den knappen Andeutungen, die jene Gotik:
Holzschnitte geben, ergänzt durch die viel goüschm chur.
spätere Darstellung des Merian'schen Stiches
(Tafel 2) und des Ölbildes im rätischen
Museum (Tafel 3), auch durch erhaltene
Reste des damaligen Bestandes fliesst doch
allmählich ein Bild der Silhouette des gotischen
Chur zusammen, wenn auch nur
in grossen Zügen fassbar, so dämmerhaft
und verschleiert, wie es der Kaufmann sah,
der von der Lenzerheide herabfahrend vor
dem Zunachten gerade noch die Stadt gewann
: an die Burg gedrückt eine anscheinend
regellos zusammengedrängte Herde
gemauerter Häuser, darüber emporschnellend
der schlanke Spitzhelm von St. Regula
und das steile Dach von St. Martin, das mit
seinem stumpfen Turmaufbau den letzten
Anlauf nicht zu wagen schien; weiter im
Westen St. Nicolai, dazwischen gestufte
Giebel, geschindelte Dächer, auch einzelne
kleinere Dachreiter, und in der Ringmauer
die Türme mit den spitzen Hauben, alles
im friedlich hinziehenden blauen Rauch des
Herdfeuers, von dem aus Süden durch die
Fährnisse wilder Berge herziehenden schwäbischen
Händler aufatmend gegrüsst als das
erste Bild einer deutschen Stadt. Wenn er
dann durchs Tor einfuhr, so mochte er wohl
fühlen, dass hier noch nicht Schwaben und
noch nicht Franken war, mochte erstaunt
auf die seltsame Form der zweiseitigen
Erker, die massigen Wölbungen, auch auf
die weniger steil gegiebelten Dächer sehen.
Und hatte er zuvor im nordwärts verlangenden
Blick hinter dem abendverhüllten
Umriss der alten Curia den heimischen First
geschaut, so schien ihn nun mit einem letzten
Nachklang der Süden hier noch einmal zu
grüssen.

XII


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