Augustinermuseum Freiburg i. Br., B 933/14
Das Bürgerhaus in der Schweiz (14. Band): Das Bürgerhaus im Kanton Graubünden, 2. Teil: Nördliche Talschaften A
Zürich, 1924
Seite: XXVI
(PDF, 25 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_14_1924/0028
Zweige. Diese Malerei in silbrigen und
bräunlichen Bronzetönen gibt mit dem Grau
des Täfers, dem Weiss des Stuck-Plafonds
und dem sparsamen Gold der Leisten einen
Zusammenklang, der sehr vornehm wirkt,
aber doch einen etwas kühlen, spröden, metallischen
Klang hat. So ist das Ganze
repräsentativ, ja im Rahmen dieser Stadt
imposant, aber etwas nüchtern und bewusst,
nicht eigentlich blutvoll lebendig.

Der Baukörper überragt mit seinen vier
Wohnstöcken die Dimensionen des Alten
Gebäus beträchtlich. Die Mitte der Wand
ist betont: an der Strassenseite durch eine
Zusammenfassung des Portals mit dem Balkon
, gegen den Garten zu durch Aneinanderrücken
von drei Fensterachsen. Saubere
bläuliche Quadern aus dem Scaleratobel
fassen die Ecken. Auch hier war der Garten
als Teil der ganzen Bauanlage gedacht, aber
während er beim alten Gebäude durch
Baumschnitt und Laubonbildung architektonisch
gegliedert wurde, verwandte man
hier in reichem Maße Plastiken: Vasen mit
Früchten und Blumen, Figuren von Bachus
und Flora, die nun ihren Standort verlassen
haben.

Die Innenanlage verzichtet auf ein zentrales
Raumbassin, wie es im Alten Gebäu
die Treppenhalle ist, ja sie separiert den
Treppenraum nicht nur, sondern sie teilt ihn
noch etagenweise in einzelne Abschnitte.
Das Treppenhaus hat nämlich keine ungebrochene
Vertikalachse, sondern rückt im
ersten Stockwerk in West-Ostrichtung weiter,
um im zweiten wieder zurückzukehren (Tafel
49, 50). So entsteht nach jedem Abschnitt
ein eigener Treppenkopf und jeder Teil bildet
einen eigenen Raum, ein Einfall, der es
besonders deutlich macht, wie in diesem
Bau alles darauf zielt, in vollkommener
Ruhe und leidenschaftslosem Nebeneinander
Raum an Raum zu fügen. So bleibt auch
der Hauptsaal für die Gesamtanlage ohne
bestimmende Bedeutung. Aus dem zweiten
Oberstock in den Mezzanin hineinstossend,
ist er im Verhältnis zur Breite etwas zu
hoch gereckt und kommt daher nicht zu der
stattlichen Würde wie sein bescheidenerer
Verwandter in der Casa di mezzo zu Soglio.

Wo Täfer die Wände und Decken verkleiden
, begnügen sich nun die Profile mit
massigeren Schwellungen, als wir sie im

Alten Gebäu treffen. Der Stuck aber ist
kräftig, ja an manchen Stellen, wie im Saal
oder an den Medaillons, auffallend hoch
gearbeitet. Von guter Qualität, schwungvoll
und elegant geführter Ornamentik, wirkt
aber auch er merkwürdig unsinnlich und
abstrakt und hat weder die flüssige Leichtigkeit
der Arbeiten in Salenegg oderBondo,
noch die lichte Fülle jener im Alten Gebäu.

In solchen Dingen kündet sich mitten Klassizismus.
im Rokoko der Rationalismus des Klassizismus
der Jahrhundertwende. Die Epoche
des Louis-seize ist in der Architektur Churs
ohne Spuren geblieben. Höchstens dass sie
einmal in die Innendekoration ein Wort
hineinspricht, wie etwa mit dem weissen
Täfer in einem Schlafzimmer des Schwartz'-
schen Hauses auf dem Sand (Tafel 31), oder
dass sie die bescheidenen bürgerlichen Formen
des neuen Jahrhunderts leise vorbereitet
, wie dies beim Umbau des vorderen
Türligartens oder des „Salis'schen Hüsli"
an der Masanserstrasse geschah. Ohnehin
vollzog sich ja in Graubünden der Anschluss
an Stil Wandlungen äusserst zögernd. Je mehr
man sich aber dem Jahrhundertende näherte,
desto unruhiger wurde der Boden, auf dem
alles stand. Der Besitz schien nicht mehr
gesichert, immer häufiger wurden die unterirdischen
Stösse dumpfen Grollens. Endlich
sprang die Spannung und nun kam es zu
den Einstürzen und Umschichtungen, die
das Ende des Freistaates Graubünden und
der Beginn seiner Etablierung als Kanton
der Eidgenossenschaft bedeuteten. Die Zeit,
in der die Bautätigkeit in Chur sich neu
belebte, ist für die Schweiz die Epoche der
Restauration. Kunstgeschichtlich wurde sie
sehr zutreffend auch wohl romantischer
Klassizismus benannt. Diese Bezeichnung
ist nur scheinbar ein Paradoxon. Denn die
unromantisch scheinende Neigung zu den
klaren Maßen der Antike ist in Wahrheit
Rückwendung und Gegenwartsflucht, also
Romantik. Diese Epoche gilt als Zeit der
Epigonen und der Erben. Ganz ohne abschätzigen
Nebenton gesagt, war auch für
Graubünden damals die Zeit, die Erbschaft
zu sichten, den Bestand und die Bilanz zu
klären, eben die Zeit geruhiger Restauration.
Zwar hatte die Confisca in den Untertanenlanden
mit einem einzigen Zugriff gewaltige
Vermögen verschlungen; aber wenn auch

XXVI


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