http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_14_1924/0030
Epoche ihre Linien zeichnete und besonders
dem Dompfarramt die bescheiden würdige
Form gab.
Haas simmen Vor allem aber am Rand der Stadt —
5/ Margarethen denn die Sehnsucht nach unverdorbener
Natur war immer noch das Schlagwort der
Zeit — in Gärten, denen man unter dem
Einfluss einer von England ausgehenden
Bewegung nun gern den im verschnittenen
Wuchs beliess, siedelten sich die Bauten
dieser unaufgeregten Epoche eines besinnlichen
und etwas sentimentalen Rückschauens
an. Besonders gute Beispiele dieses klaren,
aber ein wenig unsinnlichen Stiles, der mit
der Ruhe seiner Zahlenverhältnisse so gut
zu dieser Zeit der Restauration und nüchternen
Bilanzierung stimmte, sind das Sa-
lis'sche Haus auf dem Sand (nun Simmen,
Tafel 53) und der Westflügel von St. Margarethen
(Tafel 54, 55, 56). Alles ist vollkommen
flächenhaft gesehen und Tiefenentwicklung
interessiert nicht im mindesten.
Es sind reine Linien Verhältnisse, die den
Reiz der Fassade ausmachen: Bogen im
Erdgeschoss, abgestimmt zu hohen Rechtecken
im ersten und etwas niedereren im
zweiten Obergeschoss, ganz flache Gewände
und glatte Mauerflächen mit geräumigen
Fensterabständen, darüber ein einfaches
Ziegelwalmdach. Der Gartenbalkon begnügt
sich wie alle geschmiedeten Geländer mit
ganz schlichten Stäben und glatten Konsolen.
Plantahaus Ist an diesen Bauten alles noch mehr
Roßstrasse. YOn der mehr repräsentativen Gebärde, die
das Empire trägt, so zeigt das Plantahaus
an der Roßstrasse (Tafel 53, 54, 56) jenen
Zug zum stimmungsvoll „Netten", den wilder
Biedermeierzeit zuschreiben. Eine grosse
Anlage ins Kleine übersetzt, in den bürgerlichen
Alltag gleichsam transponiert, ist
hier die reizvolle Treppe, die in kleinem
Raum zwei untere Läufe und oben noch
einen zierlich geschwungenen Vorplatz unterbringt
. Das Gärtchen, am Berg aufsteigend,
bescheiden in der Ausdehnung, ist mit dem
weisslackierten Pavillon und Laubengang,
den gezirkelten Wegen wie eine Illustration
des Goetheschen Verses: „und weiss die
Latten und hölzernen Bänke; alles ist einfach
und glatt, nicht Schnitzwerk oder Vergoldung
will man mehr". Und wenn es
dort weiter heisst: „es kostet das fremde
Holz nun am meisten", so versteht man das
wohl im Angesicht der Möbel dieser Zeit,
die ohne Schmuck nur die Wirkung des
edlen Materials zur Schau stellten.
Immer begieriger aus den Mauern hin- Die Masanser-
ausdrängend, begann damals die Stadt sich
auch jenes Gebiet anzugliedern, auf dem
sich dann die Bauentwicklung des 20. Jahrhunderts
hauptsächlich vollziehen sollte. Im
Norden gegen Masans zu zeigten sich die
Ansätze eines neuen Quartiers. Hier standen
als Vorposten der Stadt das „Salis'sche
Hüsli" und das Stuppis-Haus. Schon im
letzten Drittel des 18. Jahrhunderts war der
Salis'sche Bau durch den östlichen (Mittel-)
Trakt erweitert und der Werbesitz des Peter
Stuppa durch Ausbau gegen die Strasse zu
mit grossdimensionierten, getäferten Stuben
stattlich vergrössert worden. Weiter hinaus
hatten nur vereinzelt im Grün der Obstbäume
und Rebberge kleinere ländliche
Bauten und Weinberghäuschen ein abseitiges
Dasein geführt, das nicht allein der Bestellung
der Gärten, sondern, wie der
Tscharner'sche „Rote Turm" (Tafel 32) auch
einer idyllisch gestimmten, naturfrohen Geselligkeit
diente. Nun wurden der Salis-
und der Stuppisbau nochmals erweitert;
kurz zuvor war auch das Rigahaus entstanden
, und gleichzeitig siedelten sich am
andern Bord der Strasse kleinere Heimwesen
an. Da die einzelnen Bauten durch massive
Steinmauern unter sich verbunden wurden,
so kam ein ganz geschlossenes Strassenbild
zustande, das sich durch die Hebung und
Senkung der Umrisslinie von Mauer und
Häusern besonders anmutend gestaltete und
in seinen friedlichen Proportionen heute
noch einen Hauch von dem Lavendelduft
der vormärzlichen Zeit bewahrt. Weiter
hinaus gegen den alten Siechenweiler zu
hatte der Meister von St. Nicolai die „Kante"
ansehnlich ausgebaut und damit einen neuen
Vorposten für die Strassenentwicklung gesetzt
; an die Stadt aber wurde dieser ganze
Zug dichter angeschlossen durch die Pappelreihe
, mit der sich Chur vom Brunnengarten
an bis zum unteren Tor umgürtete und die
in doppelter Zeile bis zum Salis'schen Hüsli
reichte. Uberhaupt würde man das Bild der
damaligen Stadt nicht vollständig sehen,
wenn man den gravitätischen Aufzug dieser
schlanken Bäume vergäße, der hinfort lange
Zeit ebenso zur Architektur der Stadt ge-
XX VIII
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_14_1924/0030