Augustinermuseum Freiburg i. Br., B 933/14
Das Bürgerhaus in der Schweiz (14. Band): Das Bürgerhaus im Kanton Graubünden, 2. Teil: Nördliche Talschaften A
Zürich, 1924
Seite: XXXI
(PDF, 25 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Varia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_14_1924/0033
Verkehr vom Arlberg nach Zürich auch
nicht mehr allein auf die Luziensteig angewiesen
.

Die Herrschaft Vergessen darf immerhin auch nicht
a'S Uiand.a"en werden: Mayenfeld gehörte zum Untertanenland
. Das war nun staatsrechtlich allerdings
ein eigentümliches, ja in der europäischen
Geschichte vielleicht einzigartiges Verhältnis
. Da 1509 und 1536 die III Bünde dem
Domprobst Brandis, dem Grafen Sulz und
den Herren von Marmels alle Herrschafts-
rechte über Mayenfeld, Fläsch, Jenins und
Malans abgekauft, anderseits aber Mayen-
feld-Fläsch und Malans-Jenins Glieder des
Zehngerichtenbundes waren, so waren sie zugleich
Untertanen und Souveräne, mussten
sich Vögte setzen lassen und konnten, wenn die
Reihe an sie kam, nicht nur in den anderen
Untertanenlanden selbst Vögte stellen, sondern
auch ihren eigenen bestimmen, ja sogar
dem Bundestag präsidieren. Waren
nun also hier die politischen Verhältnisse
wesentlich anders als im Veltlin und Cläfen,
und waren die Bünde auch milde Herren,
so lasteten doch die alten herrschaftlichen
Lehen weiter auf den Gemeinden, und dazu
kam noch ein grosser klösterlicher Besitz an
Gütern und Lehen (Kuoni). Besonders
Pfäfers konnte vom schattigen Hang mit
behaglicher Freude zusehen, wie ihm die in
der Sonne glühende Halde jenseits des
Rheines die süsse Traube für seine kühlen
Gewölbe reifte.
Der stadtgrund- All dies mag zusammengewirkt haben,
um uns heute noch in dem Städtchen Mayenfeld
die einfachste Form, die Keimzelle
gleichsam, einer mittelalterlichen Stadt im
Grundriss sehen zu lassen. Hier wurde der
Ring nicht erweitert. Mayenfeld behielt den
Mauerzug, mit dem es sich gürtete, als sich
der alte vicus Lupinis, wie das Dorf der
nachrömischen Zeit hiess, das nur mit Wall
und Palisaden bewehrt gewesen sein wird,
zur Stadt entwickelte. Durch all die Jahrhunderte
hat sich der Grundriss der eigentlichen
Stadt erhalten, und wie eine magische
Schrift, die immer wieder erscheint, so oft
man sie auch wegwischen mag, die zerstörenden
Brände überdauert: sechs Jahre,
bevor Chur demselben Schicksal verfiel,
wurde Mayenfeld (1458) in Asche gelegt.
Während der Bündnerwirren gingen 60
Häuser und 75 Ställe in Flammen auf, teils

von den Österreichern, teils von den Bündnern
selbst entzündet, um die Feinde wie
Füchse aus dem Bau zu räuchern, und 1720
endlich brach im Brüggerhaus Feuer aus,
sprang in den Kirchturm, jagte dort das
Pulverlager in die Luft und kam dann prasselnd
über fast eineinhalbhundert Firste,
Häuser, Ställe und Torkel zusammengerechnet
. Dieser alte Mauerzug nun bildete
einen geschlossenen Ring, während das
Schloss ausserhalb lag als selbständiger, von
dem mächtigen, viereckigen Turm überragter
Komplex. Durch das obere Tor, bei
dem Salis'schen Hause, tauchte die Strasse
von der Luziensteig her in das Städtchen ein,
um sie bei dem unteren, an das Brügger'sche
Haus angelehnten, zu verlassen (Tafel 57).
Diese einzige quer durchlaufende Ader erweitert
sich nach einem kurzen Stück Gasse
zum Platz, der an seinem oberen und unteren
Ende in der Richtung gegen das Schloss zu
zwei Seitenlinien aussendet, die abschüssig
und eng auch in ihrer Bezeichnung als
„Winkel" ihr mehr untergeordnetes Dasein
gar nicht zu verbrämen suchen. Dieser Platz
ist das Podium des öffentlichen Lebens, hier
ist der Markt, hier die Amanduskirche, die
der alten Mutterkirche auf der Steig über
den Kopf gewachsen war, hier seit der Mitte
des 15. Jahrhunderts auch das Rathaus.
Hier der Brunnen, der ehedem nicht frei
stand, sondern an die Hofmauer des Brügger'-
schen Hauses angeschlossen war. Dieser Platz
hat auch heute noch jene natürliche, räumliche
Schönheit, die solchen zwanglos entstandenen
Gestaltungen eignet. Sie beruht
in den sicher empfundenen Verhältnissen
zwischen der Höhe der Häuser und der Platzausdehnung
, in der vollkommenen, bühnen-
mässigen Geschlossenheit, die aber durch
Vorkragungen, Einbuchtungen und Winkelbildungen
mannigfaltig gegliedert wird. Die
engen Gassenmündungen, die dunklen, Raum
absaugenden Torwege, die Kirchentreppe
mit den Häuserkulissen, dies gibt alles dem
Platz das Bild eines Beckens, in das unablässig
aus vielen offenen Mündungen das
Leben eines kleinen Gemeinwesens zusammenrinnt
.

Die Häuser, die in diesem Stadtring sich Der Baukörper

P -, i , . . der Häuser.

zusammengefunden haben, zeigen ein ganz
anderes Gesicht als die Churer Bauten. Sind
jene zwar, wie wir sahen, im allgemeinen

XXXI


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_14_1924/0033