Augustinermuseum Freiburg i. Br., B 933/14
Das Bürgerhaus in der Schweiz (14. Band): Das Bürgerhaus im Kanton Graubünden, 2. Teil: Nördliche Talschaften A
Zürich, 1924
Seite: XXXVI
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_14_1924/0038
dünnem weissem Stuck, flüssig aufgetragen,
eine Gesamtansicht von Mayenfeld auf einer
Ranke zierlich aufgereiht, leichte Wölkchen
schweben vergnügt darüber, und in den
Eck-Kartuschen sieht man Luziensteig,
Marschlins, Hof Ragaz und Schloss Sargans.
Aus der Hohlkehle greift weit in den Plafond
hinein das gezackte, aufgelöste, flatternde
Rokaillenwerk, bemalt und vergoldet, kleine
feinmodellierte Jagdszenen spielen sich auf
den Gesimsen ab und Blumen und Fruchtkörbe
stehen in den Supraporten. Nicht
nur, dass hier bunte Blumen und strotzende
Früchte mehr sind als eine gefühlvolle
Reminiszenz an die verlassene Natur, dass
sie vielmehr die in schönem Schein fortgesetzte
schönere Wirklichkeit dieses fruchtgesegneten
Striches sind, der Raum überhaupt
wirkt so aufgelockert, dass er in die
Natur selbst überzuspielen scheint. Vor dieser
freiesten, gerade auf Süden gestellten Ecke
des Schlosses liegt das Tal und ist wieder
wie die grosse mit Licht gefüllte Schale,
von der die Treppenhalle ein kleines Symbol
schien.

Aussenbau. Diesen nahen Zusammenhang mit der
Natur sucht auch der Aussenbau. Es ist mit
der Sentimentalität der Zeit gesagt, wenn
Heigelin rühmt, dass „nicht seichte Fresco-
Geburten und übertriebene Scheinkolonnaden
das Äussere verunstalten, sondern eine natürliche
Steinfarbe es in Unschuld, Würde
und Schmuck kleiden" ; aber dass auch ihm
diese bündnerische Zurückhaltung auffiel,
ist ebenso bemerkenswert wie der Umstand,
dass der Besitzer beim Ausbau das Haus
nicht in die Höhe vergrösserte, sondern nur
in der Längenausdehnung in Symmetrie
brachte. So legt es sich ganz natürlich und
zwanglos ins Gelände, wird im Umriss allerorten
von den Bäumen überschnitten und
damit an eine Landschaft eng gebunden,
die lieblich eingeht und doch herb ist wie
ihr Wein, der schwere Saft der dunklen
Traube, die Herzog Rohan „der Gute" diesem
Tal geschenkt.

Der Charakter des Baues ist also keineswegs
von der Innendekoration bestimmt.
Wie wenig sie im Grunde den Geist eines
Hauses zu ändern vermag, das zeigen gerade
die Bürgerbauten von Mayenfeld, wo
in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
in den auf den grossen Brand folgenden

Jahrzehnten tüchtige Stukkatoren an der
Arbeit waren. Ohne dass tlaltung und Stimmung
dieser Bauten dadurch wesentlich
beeinflusst wurden, überzogen sich damals
die Gewölbe des Marschall-Hauses wie der
Gartensaal des Hauses Valentin (ehemals
Montzwick)mit leichten Band- und Rocaillen-
mustern und im Montzvvickschen Bau im
„Winkel" schmückten sich die Plafonds mit
Blumenvasen und Zweiggeschlingen (Tafel 60);
im Brüggerhaus aber flimmert das gleiche
heiter malerische Zierwerk wie im bischöflichen
Schloss zu Chur, so dass wir in Johannes
Schmid von Konstanz den Meister
beider Dekorationen vermuten dürfen (Tafel
59).

Man wird dem Versuch, einen Typus wie Kulturelle
das Marschallhaus dem Schloss Salenegg zu strSmunsen-
konfrontieren, nicht mit dem Hinweis erledigen
können, dass ein Jahrhundert beide
trennt. Hier scheidet sich vielmehr nur
besonders deutlich, was latent immer
gegenwärtig bleibt: einerseits der Drang
zum Massenhaften, zum kompakten Mauerwerk
, und, diesem entgegenwirkend, nach
seiner Auflösung strebend, das Verlangen
nach freieren, musikalischen und malerischen
Reizen. Wenn in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts dieses Verlangen im süddeutschen
Rokoko seine höchsten Entfaltungen
erlebte, so ist es nicht zu verwundern,
dass es auch in unserem Gebiet, und hier
besonders in dem nach Norden offenen
Rheintal, zu dieser Zeit am deutlichsten zum
Durchbruch kommt. Will man aber Kontraste
aufstellen, die zeitlich näher nebeneinander
liegen als Marschallhaus und Salenegg
, so mag man das Buol'sche Haus
gegen die Residenz halten oder diese wieder
gegen den Palazzo des Obersten Donats in
Sils, der sogar noch ein Jahrzehnt nach
dem Residenzumbau entstand. Wirkt das
bischöfliche Schloss durch eine ganz malerisch
nuancierte Raumphantasie, so ist beim
Donats'schen Bau alles pralle, gespannte
Plastik. Oder soll man noch auf die Enga-
diner Bauten des späten 18. Jahrhunderts
hinweisen, um zu zeigen, wie wenig die
Zeit gegen ein eingewurzeltes Empfinden
vermochte? —

Was hier gemeint ist, wird in Malans Malans.
vielleicht noch klarer. — In einer Biogra- Botilmar.
phie des Carl Ulysses von Salis wird er-

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