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ein festlich gewölbter Saal mit reichem Stuck
und Marmorkamin und dem Deckenbild der
blumenschenkenden Flora die ganze Breite
dieses Traktes. Ein wirklicher Gartenflügel
alles in allem, zu dem die unkonventionelle,
ja fast provisorisch wirkende Treppe nicht
übel passt. Liegt hier der Korridor zum
Garten und die Zimmer nach der kühlen
Nordostseite, so reihen sich diese im Westflügel
an den bergseits liegenden Gang, die
Fülle der Mittagssonne suchend und an der
Fensterwand durch eine Enfilade verbunden
(Tafel 84). Jeder Teil dieses merkwürdigen
Baues hat so seinen eigen gearteten
Grundriss, seine eigenen Treppenräume und
seinen besonderen Charakter. Neben ernsten
Kassettentäfern birgt dies Haus die eigenartige
Dekoration einer Wachstuchtapete
mit breitflächigem Stamm- und Blattwerk
(Tafel 83), neben einem Zimmer von ehrbaren
Dimensionen ein Räumchen von
Taubenschlaggrösse mit Ausgang auf einen
keck angeklebten Balkon, Stückwerk aus
drei Jahrzehnten, Öfen und Kamine aus
drei Generationen bis zum Louis-seize; es
ist ein ständiger Wechsel von Raumgrössen,
Blickrichtungen und Stimmungen, alles liegt
nebeneinander und ist doch aneinander gebunden
in dem gemeinsamen Medium einer
sorglosen Romantik.
Der Plantablock. Mit diesem Schloss und seinen Aussen-
anlagen verrieselt die Masse des Dorfes in
allmählicher Auflösung in die freie Natur.
Im Punkt seiner stärksten Verdichtung aber
liegt der Block der Plantabauten (Tafel
85-87, 89—91).
Ambrosius von Planta-Wildenberg und
Rhäzüns zog als Erbe des Bothmar (von
seiner Mutter, einer geborenen Gugelberg
her) nach Malans. Er war der Stammvater
des Malanser Zweiges der „Planten". Während
der Bothmar durch Heirat seiner Enkelin
bald an die Salis fiel, breitete sich die
Deszendenz seines zweiten Sohnes, der nach
dem Vater Ambrosius hiess, im Dorf aus.
Dies wird hier nicht nur als genealogische
Notiz erwähnt, es soll vielmehr ein Moment
klar machen, das, zunächst rein politischer
Natur, für die bauliche Entwicklung im
rätischen Freistaat von grösster Bedeutung
wurde. Wenn manche, bis dahin vielleicht
unscheinbare, Siedlung plötzlich einen
stattlichen Aufschwung nahm, wenn das
Aussehen von Grüsch durch die Familie
Salis, von Luzein durch die Sprecher, von
Valendas durch die Marchion nachhaltig
bestimmt wurde, ja wenn Malans zum imposantesten
Dorf des nördlichen Teiles der
Bünde, zu einem Gegenstück von Zuoz gleichsam
, wurde, so lag der Grund hauptsächlich
in dem Bedürfnis einflussreicher Häuser, in
möglichst vielen Orten des Staates Sitz und
Bürgerrecht zu haben, um beim Verteilen
der Ämter in den Untertanenlanden und
der höchsten Würden des Staates, die ja im
Turnus den Gerichten zukam, als berechtigte
Anwärter bei der Hand zu sein.
So brachten die Plantas ihre Baugesinnung
auch nach Malans. Wie ein anderer
Wildenberger, Conradin, in dem Prätigauer
Dorf Fideris, wo er sich durch eine Beeli
„eingeweibet" hatte, 1565 ein Haus hinstellte
mit Mauermassen und Gewölben, wie sie
dort unerhört waren, so bauten diese Nachkommen
des Ambrosius in Malans einen
Komplex, der wie ein einziges Vorwerk des
Engadins anmutet. In kubischer Mächtigkeit
stehen die Bauten da (besonders „Hartmann"
und „Konsum"). Über glatten Rundbogentoren
sind Balkons, die Fensterachsen stehen
nicht symmetrisch in der Fassade, vor allem
aber ist es die Kompaktheit der ganzen
Anlage, die an den Plantablock in Zuoz
erinnert. Im Herzen des Dorfes steht hier
ein Komplex von drei wuchtigen Häusern,
die mit den Stallungen und Umfassungsmauern
wie ein Landsknechtscarre'e zusammengedrängt
sind. Im weiteren Kreis um
sie her fügen sich die Neben- und Wirtschaftsbauten
an, gewaltige Scheunen und
Torkel, ein wuchtiger, vollständig abgerundeter
Bezirk, eine enge Familiengemeinschaft
innerhalb der Dorfgemeinde.
Schlanker zwar, durch vorspringendes Haas Guier.
Dach mit Hohlkehle konzilianter gemacht,
aber immerhin mit unbekümmert unsymmetrischen
Achsen, stellt sich das Guler'sche
(nun Lendi'sche) Haus (Tafel 85, 86, 88) schon
damit in die Reihe der ausgesprochen „mauerfesten
" Bauten, dass es — darin dem Marschall
-Haus ähnlich — durch einen bedeutenden
Abstand zwischen den beiden untersten
Fensterreihen sich das gleiche stämmige
Aussehen zu geben weiss. Hier aber
wird auf einmal ein vollkommen deutscher
Hausgrundriss sichtbar: Stube und Zustube
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