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liauses in Mayenfeld (nun Schnell), das dem
Herzog Ronan Obdach bot, wenigstens noch
Erwähnung getan sein. Nicht vergessen aber
soll werden, wie eigenartig sich in Fläsch
ländlich offene Bauart mit städtischer Reihenanordnung
mischt und wie im Herzen des
Dorfes das „Grosse Haus" (Kunz) seine Rolle
als nördlichstes rätisches Bürgerhaus grösseren
Ausmaßes stattlich vertritt.
Fünf Dörfer.
Zizers. Von Malans zog die Reichsstrasse auf der
rechten Rheinseite durch das Hochgericht
der Vier Dörfer (Igis, Zizers, Untervaz und
Trimmis), dem erst die Mediationsurkunde
von 1803 als fünftes die Herrschaft Haldenstein
einfügte. Der wirtschaftliche Schwerpunkt
des Hochgerichts war immer Zizers.
Hier lag schon ein Königshof, hier stand
eine bischöfliche Burg, und hier war auch
jene alte Sust, die den Mayenfeldern den
Kampf ansagte. Für die bauliche Entfaltung
in der neuen Zeit aber sorgte besonders die
Familie Salis.
Bautätigkeit der Als der zum Katholizismus übergetretene
amiiie saiis. j^u(j0jf Andreas von Salis sich dieses zu
Campells Zeiten noch ganz katholische Dorf
zum Wohnsitz nahm, da wurde hier eine
Familie sässig, der — in noch ständig wachsendem
Ansehen — eine starke Expansionskraft
innewohnte und die beinahe überall,
wo sie sich anbaute, das Ortsbild entscheidend
bestimmte. Ein bescheidenes Haus (nun
nicht mehr vorhanden) war bald zu klein.
Dm 1620 wird das sogenannte neue Stammhaus
gebaut, mit gewölbtem Saal im Erd-
geschoss, mit Festsaal im Obergeschoss und
einfachem Turm, in dem die Treppe liegt
(Tafel 93, 94). Bald nach dem Tod des
Ca valier Rudolf Andreas errichtet sein Sohn
Marschall Rudolf das „untere Schloss" und
um die gleiche Zeit dessen Neffe Baron
Simon das „obere". Im gleichen Jahrhundert
werden auf begrenztem Bezirk also drei
Schlösser gebaut mit all dem Zubehör von
Stallungen, Remisen, Torkel, Tennen, Torhäuschen
und Schmiede, werden Grundkäufe
gemacht, alte Häuser „geschlissen"
und ein stattliches Fideikommiss errichtet.
Wenn eine unverbürgte Tradition berichtet,
das untere Schloss sei in Erwartung eines Besuches
des jugendlichen vierzehnten Ludwig
entstanden, so mag darin vor allein das Bedürfnis
liegen, für einen so plötzlich ausbrechenden
Bauwillen einen äusseren Anlass
zu finden. Ohne dabei zu verstehen, dass
Leidenschaften keinen Zweck brauchen und
der Wille zur Repräsentation eben gerade
das Überflüssige hervorbringt. Aber mehr
noch als die Breite dieser Expansion ist
bemerkenswert die Form, die sie fand. Denn Das untere
man darf sagen, dass das untere Schloss Schloss-
(Tafel 94—100) zur Kulmination des Dorfbildes
, wie es sich von der Rheinseite her
zeigt, geworden ist (Tafel 95, 97). Der Bau
stellt in der Reihe der zu gleicher Zeit entstandenen
und mehrfach erwähnten Schlösser
des Landes eine eigene Klasse dar. Entscheidend
ist schon das Verhältnis des
Turmes zum Hauskörper. Ist bei den andern
Schlössern der Turm ein seitlich ausgetriebener
Ast, so gehört er hier zur Baumasse
, ja ist ihr Kern und Schwerpunkt;
schon dem Grundriss nach — denn er birgt
die zentralen Räume, den Garten- und den
Rittersaal — noch mehr aber im Sinn der
Aussengestaltung, über die er, breit und
massig, in den Untergeschossen rund herausgebläht
, über der Dachlinie polygonal hoch
aufgesetzt, absolutistisch herrscht. Dieser
Turm ist aber nicht nur die architektonische
Mitte dieses Baues allein, sondern des Dorfbildes
überhaupt. Das Schloss steht sehr
exponiert, mit freiem, terrassiertem Vorgelände
hoch über der Hauptstrasse, und
nicht die beiden Kirchtürme, auch nicht das
zerfallende alte Friedau, sondern dieser
Turm beherrscht den Umriss und die Fassade
des ganzen Dorfes, herrenhaft dastehend,
wie man sich den Erbauer vorstellt, als er
„stehend, mit Reiskleidern angetan, seinen
Degen an der Seite", das Fideikommiss in
seinem letzten Willen bestimmte, beim nahenden
Tod die ungeschmälerte Würde der
Familie bedenkend.
Dass das Schloss nicht dem behaglichen
Wohnen, sondern ausschliesslich der Repräsentation
bestimmt war, verleugnet es nicht.
Es ist ein Sommerhaus. Nirgends sind
die Fenster so hoch wie hier, nirgends ist
der Mauer so wenig „Fleisch" gelassen.
Was aber die Auflösung der Masse vollständig
macht, ist eine auf drei Seiten eingebrochene
Arkade. Im Inneren erstaunt
XL
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