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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_14_1924/0043
ein merkwürdiges Gegeneinanderwirken von
Kühnheit und Versagen, ein auffallend unentwickelter
, ja verkümmerter Korridor und
eine Zentralisierung der sehr geräumigen
und hohen Zimmer in einem zweistöckigen
Saal von grosser Raumschönheit. Die Abbildung
(Tafel 98) zeigt den im „Musde d'art
et d'histoire Geneve" kopierten früheren Zustand
vor dem Umbau des Hauses zu einem
geistlichen Stift. Die Fensterachsen liegen
zwischen einfachen, glatten Pilastern, in
Geschosshöhe läuft eine Galerie, die nicht
nur den Raum wohltuend horizontal gliedert,
sondern mit ihrem warm gegen die weisse
Wand stehenden Holzton auf die dunkle
Täferdecke vorbereitet, die mit flachen, poly-
gonen Kassetten auf den Pilasterkapitälen
und einem Kranzgesimse liegt. Die Täfer
der anderen Räume (nun ebenfalls im „Musde
d'art et d'histoire* in Genf), würdig, aber
nicht ungewöhnlich pompös, zeigten an
manchen Stellen, den Muschelmedaillons besonders
, nahe Verwandtschaft mit den Arbeiten
in der Herrschaft und im Prätigau
und trieben grösseren Aufwand nur im
Speisesaal, wo mit harthölzernen Fournieren
und geschnitzten Pilastern ein reicheres Ensemble
zustande kam. Überhaupt waren sie
nur der ernste Rahmen für eine nun zerstreute
Pracht, die in farbigen Ledertapeten
und den gehaltenen Tönungen wertvoller
Gobelins, mit „underschiedlichen namhaften
und köstlichen Sachen", die der Sohn der
Marschallin aus Frankreich geschickt, prunkvoll
sich darstellte.
Das obere Ist dieser Bau ganz „Schloss", so der
schioss. 0kere n Villa" und von jenen anmutigen
Reizen wie das Schwartz'sche Haus auf dem
Sand in Chur, dem er ja auch zeitlich nahe
steht (Tafel 100—106). Hier hätte Heigelin
sehen können, dass „seichte Freskogeburten"
nichts so Verächtliches sind, wie er meinte,
und dass man sich auch am Schein freuen
kann, wenn er nur heiter ist. In diesen gemalten
Architekturtäuschungen, in der gemessenen
Wohlproportioniertheit der Räume,
der Treppenanlage, die von einer weiten
Mulde überwölbt ist, überhaupt in einer gewissen
präzisen, zusammenfassenden Sprache
des Grundrisses wird der italienische Geist
offenbar. Vor allem natürlich in der Malerei
des Gewölbes (Tafel 101). Sie ist im Detail
nicht besonders fein, in der Erfindung nicht

aus erster Hand und die Farben sind von
ziemlich unbekümmerter Rauheit. Die Kühnheit
jedoch der ganzen Komposition, vor
allem die räumlich-perspektivische Sicherheit
in der Auftürmung von Gesimsen,
Baikonen und Figuren, die Bewältigung
komplizierter Verkröpfungen und Überschneidungen
, das zeigt alles die gute Werkstattschulung
des italienischen Barock. Aber
die Art, wie Holzlauben mit zierlich ausgeschnittenen
Geländern und sehr dünnen,
gedrehten Trägern frei und luftig unter dem
weit vorspringenden Dache aufgehängt sind,
das gibt dem südlichen Bau einen so deutlich
tirolisch - vorarlbergischen Einschlag,
dass hier wieder eine jener anmutigen
Mischungen entsteht, wie sie dies Grenzland
zweier Kulturen so häufig zeigt. Täfer sind
in diesem ländlichen Haus nicht von Bedeutung
; aber Stuck, pointillistisch aufgesetzt
wie in der Residenz, gibt den wohnlich
dimensionierten Räumen rieselndes Leben
und macht sie heiter und weit.

Stellte sich uns Mayenfeld als das Minia- Schloss
turbild einer Stadt dar, so war Halden stein Ha,denstt
jenes einer Herrschaft. Sererhard notiert in
seiner Chronik die Verwunderung des Erz-
bischofs Barnett, dass er den Herrn von
Haldenstein, den er „le petit roy" tituliert,
in Chur habe daherkommen sehen wie einen
anderen gemeinen Edelmann. Ein Duodezstaat
kleinsten Ausmaßes allerdings war
Haldenstein, aber doch eben ein kleines
Königreich mit eigenem Markt-, Asyl- und
sogar Münzrecht, unter der Schutzherrschaft
gemeiner III Bünde stehend, aber im Innern
frei, mit selbständiger hoher und niederer
Judikatur.

Dieses Herrschaftsverhältnis drückt sich
im Äusseren deutlich aus. Empfängt Zizers
auch vom unteren Schloss die beherrschende
Mitte, so bleibt es immerhin ein Dorf mit
einem Schloss. Haldenstein aber ist ein
Schloss mit Dorf, so ausschliesslich bestimmt
dieser Bau das Bild (Tafel 107).

Wie ein grosser Souverän zieht der damalige
Herr von Haldenstein, der mailän-
dische Edelmann und Gesandte der französischen
Krone Johann Jakob von Castion um
die Mitte des 16. Jahrhunderts, als es die
Herren aller Orten aus den engen Mauern
heraus verlangte, deren Schutz mit der Ausbildung
der Feuerwaffen ohnehin fragwürdig

XLI


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