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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_16_1925/0012
Tischlerwerk steht, das Jahrhunderte lang
die Kunstfertigkeit dieses Mannes bezeugte,
dessen Name längst in bescheidene Anonymität
eingegangen war. Für die Abtstube des
Hofes in Truns aber sucht die Tradition den
Meister in walserischem Gebiet in Obersaxen,
indes sie sicher nicht ohne Grund das Marsch-
linser Täfer aus der Casa gronda als „Glarner
Stube" bezeichnet. Denn der von dem Chronisten
Fortunat von Sprecher geschilderte
Weg aus der Gruob ins Glarnerland durch
das St. Martinsloch über die Alp Tschingels
war zu allen Zeiten viel begangen. Dies alles
sind nun direkte germanische Importe, ebenso
wie man das Schmid'sche Haus in Somvix
(Tafel 21, 23—25) mit dem vollkommen gestrickten
Oberbau, den gekuppelten Reihenfenstern
an der Sonnenseite, den geschnitzten
Querstreifen, den Spruchbändern in Fraktur
und deutscher Sprache, den geschindelten
Wasserschlaggesimsen und Türvordächlein
kaum als Eigenschöpfung des Gebietes bezeichnen
kann. Man müsste denn die eigentümliche
Desorientierung in der Korridorführung
der Einflusskreuzung zuschreiben,
da hier im Oberstock der Gang nach deutscher
Art quer zum First liegt, indes er im
Untergeschoss ihm parallel läuft. Es sind an-
Der Baukörper, dere Dinge, in denen sich eine eigene typenschaffende
Kraft in der oberländischen Bauweise
bekundet, Erscheinungen, die über die
Talschaft hinaus weiterwirkten und z. B. den
Heinzenberg (der ja durch das Bindeglied
der Walserkolonie Tschappina mit Saßen
und dadurch mit dem Gebiet von Laax nah
verknüpft war) auch baulich wirklich als
einen Teil des oberen Bundes ausweisen, wie
er es politisch war. Es ist eine Neigung zur
Schlankheit, zur Überwindung der Schwere
der Baumasse, die das Haus hier charakterisiert
und sie von der kubischen Mächtigkeit
der innerrätischen Bauten deutlich trennt. Der
Baustoff wird jedoch nicht etwa gefälscht, die
Häuser bleiben mächtige Steinbauten romanischen
Stammes; aber einem Zuozer Bau
gegenüber ist das untere Deflorin-Haus in
Ruis, das obere Marchion-Haus in Valendas,
sind viele hier nicht zu nennende Bauten in
Laax, in Banz und am Heinzenberg mehr
sehnig als massig, mehr hochgewachsen als
breitlastend.

Das Dach. Was diesen Eindruck besonders bestimmt,
das ist das Dach. P. Placidus a Spescha

erzählt, Abt Adelbert von Disentis habe
bei dem Bau des „Hofes" von Truns den
von Ivo Strigel um 1500 verfertigten gotischen
Reliquienschrein des heiligen Placidus
Sigisbert zum Vorbild genommen. Der
Forscher a Spescha ist 80 Jahre nach dem
Umbau des Hofes von Truns geboren und
es kann sich also nur um eine Tradition
handeln, die er hier berichtet. Mag sie auf
Wahrheit beruhen oder nicht, mag sie eine
hübsche Erfindung oder nachträgliche Deutung
sein, jedenfalls zeigt sie, dass dieses
Dach mit dem steilen Gefälle und den hohen
spitzen Giebeln als etwas der eigenen Art
Fremdes betrachtet wurde, dass man dieses
Gebilde als gotisch-germanisch empfand und
einen Ursprung dafür suchte (Tafel 18). Gerade
diese Art der Dachausbildung nun
wurde immer mehr zu einem auffallenden
Merkmal der Oberländer Bauweise, in dem
sich die aus den angrenzenden Gebieten eingedrungene
Neigung zur Zimmermannsarbeit
auch am gemauerten Bürgerhaus aussprach.
Der Sinn für das Dach als architektonisches
Moment gibt der Architektur dieses Gebietes
die eigentliche Dialektfärbung und zeichnet
sie von jener rein romanischer Observanz
scharf ab. So sind, um nur Beispiele zu nennen
, das mächtige, zur einen Seite weit vorspringende
Krüppelwalmdach des grossen
Demonthauses in Villa (Tafel 28, 29) sowie
das Kreuzdach auf dessen Turm und auf dem
merkwürdigen Dachreiter am Pfarrhaus in
Igels (Tafel 32), sind die Anfügung von Seitengiebeln
oder stark ausgebildeten Dachgauben
in Truns, Ilanz und Valendas lauter
Zeichen des gleichen Sinnes für eine bewegtere
, ja malerische Dachgestaltung. Die
Freude an steiler Neigung, an hohen, spitzen
Winkeln, die das deutsche Haus charakterisiert
, wird offenbar an dem Saalanbau des
Schmid von Grüneck-Hauses am Obertor in
Ilanz (Tafel 3) wie an der „Casa alva" in
Ruis (Tafel 18), dem Montalta-Haus in Laax
(Tafel 36), dem Haus Caduff in Schleuis und
— den Zusammenhang betonend, von dem
schon die Rede war — am Landrichter-Haus
in Sarn (Tafel 53) wie an anderen Bauten des
Heinzenberges,besondersdenStecherhäusern
in Dalin und Tartar. Sehr bezeichnend ist auch
die willige Aufnahme, die gegen Ende des
18. Jahrhunderts im Oberland genau wie im
Unterengadin jene Giebelform fand, die wir

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