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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_16_1925/0013
im ersten Band dieser Ausführungen besonders
im SenterGebiet feststellen konnten. Hier
wie dort wirkte die Nähe deutschen Gebietes
und hier wie dort bekundet sich darin die
Neigung zu malerischen Formen und komplizierten
Holzkonstruktionen. Aber auch die
Gestaltung der Landschaft und die Situation
der Siedelungen reizt dazu, hoch im Dach
ein grosses Auge zu öffnen. Die Lage am Hang
oder auf hoher Terrasse, wie sie — den Un-
terengadiner Dörfern ähnlich — Seewis im
Oberland oder den Lugnezer Dörfern Villa
und Vigens eigen ist, lädt dazu ein, am Haus
das weit Ausblickende so sinnfällig zu betonen
, wie es dieser schalenförmig aufgeschlossene
Giebel tut. Schon in Malans fanden
wir seine Spur (am Arnstein'sehen Haus
und einer Pächter-Wohnung der Planta-
bauten), in Seewis im Oberland schaut er
vom Cadalbert'schen Haus in die Gruob (Tafel
26) und im Lugnez begleitet er uns über
Cumbels (Vieli-Haus) und Villa (Post, Tafel
28, 29) bis nach Vigens (Casanova-Haus, Tafel
23). Und auch darin finden wir eine Parallele
zum Unterengadin, dass er, in einer
deutlichen Freude an einer Komplizierung
des Gebälkes, meist mit dem französischen
Mansardendach kombiniert ist. Am bewegtesten
, an weichen Kurven und vielgestaltigen
Winkeln reichsten ist der Umriss des
Daches bei der Post in Villa geführt, wo zu
den drei Seitengiebeln, den Lukarnen und
Kaminen auf die Spitze des Zeltdaches noch
ein achteckiges Türmchen mit Zwiebelkappe
erfinderisch komponiert ist. Zu einem besonders
reizvollen Gebilde aber gestaltete sich
die Zusammenfügung vier solcher kurvenreicher
Giebel mit einem Kreuzfirst an dem
Miniaturhäuschen in Ilanz, das spitz und kapriziös
fast wie eine Pagode in dem Grün der
Obstgärten steht (Tafel 4, 6).
Die Familien. Uber diesen auf der Lage des Gebietes beruhenden
Eigentümlichkeiten der Form dürfen
Fragen der gesellschaftlichen Gruppierung
nicht übersehen werden, die das Bürgerhaus
des Oberlandes beeinflussen. Sie bestimmen
die Schicht, in der es steht, und hängen
zu einem nicht geringen Teil mit der Tatsache
zusammen, dass jene Familie, die im Gebiete
des Gotteshausbundes zur Vermittlerin einer
internationalenTenuegewordenist,im Grauen
Bunde fast ohne Gewicht war: die Familie
Salis. Man darf diese Erscheinung nicht nur

mit der etwas abseitigen Lage des Oberlandes
erklären. Sie ist vielmehr ein recht deutliches
Merkmal dafür, wie dicht der Körper gerade
dieses Bundes gegen das Eindringen von politischen
Ambitionen war, die jenseits seiner
Grenzen den Ursprung hatten. Mustert man
das Landrichterverzeichnis, den zuverlässigsten
Manometer des Kräftestandes einer Familie
des oberen Bundes in der damaligen
Zeit, so wird man kaum Namen von Geschlechtern
finden, die nur gelegentlich, nur
aus Stimmenehrgeiz aus den anderen Bünden
herübergriffen. So gelang es den Salis zwar
seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts, meist
mit der Hilfe von Heiraten, leicht, ihre Ein-
flussphäre vom Bergell aus bis an die Nordgrenze
des Gotteshausbundes auszuweiten,
auch im Zehngerichtenbund nicht etwa nur
schmale und exponierte Felstritte zu gewinnen
, sondern in Grüsch, Seewis und Malans
geräumige Plateaux einer breiten politischen
Tätigkeit zu schaffen. Nicht aber im oberen
Bund. Die „Filiale" des Seewiser Zweiges in
Flims wurde nicht entwicklungsfähig, und
wenn die Weide als Zeugnis dessen, dass der
Envoyd Peter zur Erneuerung der Stadtmauern
beitrug, das Obertor von Banz zieren
konnte, so spricht dies von einer unglücklichen
Liebe mehr als von einem Erfolg. Mag
man in diesen Dingen nun eine Geste des
doch vorwiegend katholischen Oberlandes
gegen das protestantische Haus sehen (aber
die Capol von Flims waren auch evangelisch!)
oder eine Abneigung der Leute vom oberen
Bund gegen eine ausgesprochene Familienoligarchie
, jedenfalls fehlt hier die Äusserung
eines Lebensstiles, wie sie die Salis mit dem
Palais vonBondo, dem Alten und dem Neuen
Gebäu in Chur oder dem Bothmar in Malans
in das Bild der Bündner Bauweise trugen.
Es fehlt auch die Erscheinung, dass eine und
dieselbe Familie ein ganzes Netz von Bauten
über das ganze Bundesgebiet spannt als deutlich
markierte Stationen des vordringenden
Einflusses, wie es bei den Salis und den Planta
geschah. Nun waren zwar auch die Oberländer
Familien nicht nur lokale Magnaten. Besonders
die von Mont, die Capol und die Schmid
von Grüneck, auch die Caprez, Casutt, Ca-
balzar und Latour hatten ihre Namen in den
Heeren Europas zur Geltung gebracht, aber
sie waren dem internationalen höfischen Leben
nicht verbunden wie die Salis. Auch die

XI


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