Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_16_1925/0017
sein. Für das höhere Alter des oberen Quartiers
spricht jedenfalls, dass es nach dem bewährten
Brauch situiert ist, im Deltagebiet
eines geschiebeführenden Flusses eine Siede-
lung dort anzulegen, wo der Schuttkegel seine
Ausgußstelle hat. Wie dem auch sei: im
Mittelalter bietet Ilanz das gleiche Bild wie
Sagens, es ist in zwei deutlich getrennte Bezirke
geschieden, wobei wir aber für Ilanz
zunächst den oberen, bei St. Martin, als das
Zentrum des Gemeinwesens betrachten müssen
; er war als der „vicus" der Sitz der Markgenossenschaft
und des fränkischen Ministers
. Diese Schwergewichtsverteilung verschob
sich im Lauf der Zeiten, ja sie verschob
sich so entschieden, dass man nach dem
Brand von 1352 oben überhaupt nicht mehr
aufbaute. Es war also im Gegensatz von
Chur, wo nur das römische Siedelungsquar-
tier an Bedeutung verloren hatte, der mittelalterliche
vicus selbst abgestorben (der bei
Chur als Stadtkern blieb). Das untere Quartier
(bei der späteren St. Margarethenkirche)
musste demnach so fröhlich gediehen sein,
dass es nach dem Gesetz von der stärkeren
Anziehungskraft des grösseren Volumens
dem oberen Partner alle Kräfte absaugen
konnte. Was aber war da vorgegangen? Zunächst
das eine: mit dem Verfall der fränkischen
Herrschaft hatte der vicus das Ministerium
und damit seine politische Bedeutung
verloren. Bei Brinegg dagegen lag Tellos Hof
und dieses Gut, neben dem Hof zu Sagens
der bedeutendste Verwaltungssitz victoridi-
schen Eigentums in der Gruob, ging mit
dem Testament Tellos auf das Gotteshaus
Disentis über. Damit hatte es teil am Ein-
fluss dieses mächtigen Klosters, als Wirtschaftszentrum
zog es Handwerker und
Händler an, ja es unterhielt, wie man annimmt
, eine eigene Sust. Zudem war das
obere Quartier entwertet in dem Maße, als
die Lugnezerwege an Bedeutung verloren.
Mitten in der Gabel zwischen Bernhardin-
und Lukmanierroute liegend, mussten sie zu
rein lokaler Bedeutung herabsinken, als die
grossen Linien sich ernstlich organisierten.
Gerade das 13. und 14. Jahrhundert aber, die
Zeit, auf die es hier ankommt also, war für
den Lukmanier die Epoche des Aufschwunges
. Die Verlockung der Strasse war gross.
Denn wie überall, so hatten sich auch die
Bürger von Ilanz an der Wende vom frühen

zum späteren Mittelalter von dem nur landwirtschaftlichen
Betrieb weg und dem Handel
und Fuhrgewerbe zugewendet. Mit dem
neuen Eifer für eine Tätigkeit, deren Möglichkeiten
man noch nicht allzulange kannte,
richteten sich die Augen nun gespannt dahin
, wo die Säumerkarawanen am dichtesten
gingen, auf die Strasse nämlich, die am linken
Rheinufer von Reichenau her durch den
Flimser Wald über Laax nach Ruis und
weiter gegen den Lukmanier lief. Man war
ihr bei der Burg Brinegg näher als auf der
Terrasse von St. Martin, auch gewann man
hier leicht Fühlung mit dem wirtschaftlichen
Brückenkopf, der sich jenseits des Flusses
bereits gebildet. Und damit haben wir nun
die dritte Wurzelstelle bezeichnet. An dem
Rheinübergang von Schleuis her stand nämlich
schon im frühen Mittelalter eine Kapelle,
dem heiligen Nikolaus, dem Patron der Kaufleute
und Fahrenden geweiht, und hatte bald
eine kleine Siedelung um sich versammelt.

So war die Stadt vollkommen an den Fluss
und die Strasse hinübergewachsen, wo sie
Nahrung fand. Der Komplex des Klosterhofes
aber, der für die Entwicklung von Ilanz so
bedeutungsvoll war, hat seine Linien im
Stadtgrundriss zurückgelassen. Denn auf ihn
ist die Erscheinung zurückzuführen, dass die
Hauptstrasse in ihrem Verlauf zweimal gebrochen
ist, dass sie vom Obertor her kommend
plötzlich gegen Norden umbiegen muss,
um bei der „Casa gronda" sich wieder im
rechten Winkel gegen Osten zu kehren. Der
Disentiser Hof (und also auch Tellos Gut, auf
dessen Hofstatt er sich erhob) stand gegenüber
der „Casa gronda" und bildete in der von Abt
Johann Schnag VI. i. J. 1480 geschaffenen
Form ein ziemlich geräumiges Häuserviereck
um einen Hof, der dem Einstellen von Lastfuhrwerken
diente. Gegenüber lag im Mittelalter
der Komplex der Burg Brinegg, die sich
dort erhob, wo heute der Turm bei der protestantischen
Kirche steht. Gutshof und Burg,
dies waren, noch heute im Grundriss der Stadt
deutlich erkennbar, die beiden Kristallisationspunkte
des späteren Ilanz. Die Strasse
aberzog zwischen beiden durch und lief dann,
im rechten Winkel umbiegend, an der Nordseite
des Klosterhofes dem unteren Ausgang
zu. So markiert die Hauptstrasse von Ilanz noch

) heute zwei Kanten des ehemaligen Disentiser

^Besitzes.

XV


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_16_1925/0017