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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_16_1925/0018
Bauten der Es ist wie ein Gleichnis des Wechsels der
SCecftn'riaT Gewalten, dass an der Stelle, die den Sitz
feudaler Macht getragen, sich das eindrucksvollste
Monument bürgerlichen Wohlstandes
erheben sollte und dass heute statt der Burg
die „Casa gronda" das Stadtbild präsidiert.
Sie bildet den Abschluss und den Scheitel
der Bautätigkeit einer rasch und glänzend
aufgestiegenen Familie. Es war hundert Jahre,
bevor die „Casa gronda" aufwuchs, dass der
Landrichter und Podesta Hans Jakob Schmid
von Grüneck sich von der Familie Bertogg
ein Haus am oberen Tor erwarb und für sich
ausbaute (Tafel 3—7). Nur bescheidene Ansprüche
gestattete er sich und heute noch
trägt dieser Bau (Haus Gabriel) mit der
unausgerichteten Fassade, der regellosen
Asymmetrie der Fenster, dem primitiven Korridor
und der unentwickelten Treppe die
Puppenhülle seines früheren, enger begrenzten
Daseins. Als im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts
durch eine Allianz mit einer Tochter
der Schorsch von Splügen dem Sohn jenes
Podestaten zum eigenen Gut und Ansehen
neues zugeflossen war, da stiess das Haus die
Schale gegen Süden durch und ein turmartiger
Ausbau reckte sich hoch hinaus, mit
seinen grossen gegiebelten Gauben und dem
steilen Dach jene Freude an einer von spitzen
Winkeln belebten Dachsilhouette verratend,
von der schon die Rede war. In diesem neuen
Trakt nun liegt — und auf dieses Repräsentationsstück
zielte der ganze Anbau — die
volle Breite beherrschend wie im Bothmar zu
Malans, ein grosser gewölbter Festsaal. Blumenvasen
in bemaltem Stuck und Spruchbänder
zieren die Zwickel zwischen den Stichkappen
der stattlichen Mulde, und im „Spiegel
" prunkt vor einem von Putten getragenen
Baldachin das Allianzwappen, etwas gross
geraten zwar, aber ein Frauengut von über
10 000 guten Bündner Gulden war es wohl
wert. Als Abschluss dieses festlichen Bauteiles
gegen den alltäglichen Wohntrakt diente eine
Türe, die nun das Rätische Museum bewahrt,
und die in stark vertiefter Füllung einen
Tulpenvasendekor zeigt, kräftig und bewegt
geschnitzt und von anderer Hand als die
Holzarbeiten dieser Gegend.

Schon im Beginn des 17. Jahrhunderts
hatten sich die Schmid von Grüneck auch
weiter unten an der zweiten Strassenkehre
einen vermutlich bescheidenen Sitz gebaut,

(jetziges Haus Capeder, erb. 1611) und gegenüber
entstand dann im letzten Viertel des
gleichen Jahrhunderts das eigentliche Familienmonument
, die „casa gronda" des Landrichters
und Podesta Johann Anton (Tafel
3,8—18).

Das im ganzen Bau zum Ausdruck gelangte Die
Grundgefühl ist uns vertraut. Es ist der "Casa gronda"
gleiche Geist, der sich im Buol'schen Haus
zu St. Martin in Chur einen Körper schuf und
der das Seewiser Schloss errichtete. Der Sinn
für die Schönheit des Kubischen ist es, die
gesunde, kraftbewusste Freude am Bewegen
des Schweren, die vitale Lust daran, eine
Masse hinzutürmen und sie innen mächtig
auszuwölben. Wie im Buol'schen Haus stösst
ein gewölbter Corridor durch das ganze Haus,
sind die Rippen mit den straffen, das Konstruktive
betonenden Stuckbändern und die
Kreuzungspunkte mit schlußsteinartigen Medaillons
von Frucht- und Puttenmotiven besetzt
; wie dort liegen auch zu beiden Seiten
dieses Raumkanals im Erdgeschoss kräftig
ausgewölbte Raumbehälter, linker Hand einfacher
Art und nur dem Einlagern von Kaufmannsgut
dienend, rechts aber zwei Säle mit
reichem Stukkaturenschmuck bildend. Liess
sich indes das Buol'sche Haus auch in diesen
Räumen an wenigen Akzenten, an Medaillons
und leichten Verzierungen der Kämpfer genügen
, so sind hier die Tonnen vollkommen
mit plastischem Schmuck überzogen. Es ist
jedoch keine das Gefüge auflösende Art, wie
sie die spätere Zeit liebte. Das tektonische
Gestänge ist nicht verhüllt, vielmehr sind die
tragenden Gewölberippen energisch betont
und mit Stuckbändern hoch herausgearbeitet.
Die Arbeit ist offenbar in den beiden Sälen
nicht von gleicher Hand. Sind im vorderen
Gewölbe die Karyatiden, die Blumenvasen,
die Stoffestons und gekröpften Profile in einer
etwas spröden Weise scharfkantig und unsinnlich
aufgesetzt, so ist der Stuck der
zweiten Saletta mit den Fruchtkränzen, Putten
und Adlern von so strotzender Fülle, von
so saftiger Üppigkeit, dass er wie natürliche
Blüte und Frucht dieses aus einem starken
Daseinsgefühl geschaffenen Hauses scheint.
Es sind manche Dinge, die dieses Gebäude
bei naher innerer Verwandtschaft doch deutlich
von dem Buol'schen Hause trennen, so
die Stellung des Korridors zum Treppenhaus
etwa, das hier nicht seitlich angeordnet ist,

XVI


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