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beschriebenen Täfern. Schnitzerei ist sparsam
verwendet und nur an den Kapitalen, einigen
Konsolen und vor allem der Türbogenverzierung
zu finden, die ein merkwürdiges
Drachenmotiv zeigt. Es ist die edle Teilung
der Wand mit Halbsäulen, die reiche Profilierung
der Deckenkassetten, die sich um ein
sternförmiges Mittelfeld gruppieren, überhaupt
die handwerkliche Tüchtigkeit, die uns
hier erfreut. Und daneben erheitert noch ein
verschlagener Kniff, der zeigt, wie dieser
wackere Meister technisch der Situation gewachsen
war. Aus dem älteren Bestand des
Hauses war hier ein Gewölbe vorhanden; um
dies völlig zu verkleiden, dabei aber nicht
allzuviel an Höhe zu verlieren, verfiel er auf
den Gedanken, den Wandabschluss einspringen
zu lassen und den Hohlraum mit Schubladen
auszunützen, die zur Unterbringung
von Akten wohl verwendbar waren (Tafel
19, 20). Dies machte Schule. Wir finden noch
andere spätere Täfer im „Hof", die sich diese
Erfindung dienen liessen.
Verebben der Mit dem Ende des 17. Jahrhunderts flacht
Bauweiie. ^Q jjauwevie ^[qj. ab un& es jst jm Gegensatze
zu den Verhältnissen in anderen Gebieten
der Bünde, besonders in Chur und in
der Herrschaft, zu bemerken, dass die wirtschaftlichen
Erträgnisse des spanischen Erbfolgekrieges
dem Oberland keinen neuen
Antrieb der Bautätigkeit brachten. Nicht dass
völliger Stillstand eingetreten wäre: in Sagens
wird dem Castelli'schen Haus in jenem
schon charakterisierten deutlichen Bestreben
nach Höhenentwicklung des Baukörpers ein
turmartiger Teil neu angefügt (Tafel 37) und
in Valendas findet die Marchion'sche Bautätigkeit
mit dem oberen, vom Comissari Johann
Peter errichteten Haus (Tafel 46, 47, 49) zwar
nicht ihre mächtigste, so doch liebenswürdigste
Form: die Räume liegen in einer
Flucht den Korridor entlang, der an der
östlichen Aussen wand rechtwinklig zur Giebelseite
angeordnet ist. Ein herrschaftliches
Baumotiv ist kleineren Verhältnissen geschickt
angepasst, wie denn überhaupt dieser
Bau mit seiner zierlichen Treppenanlage und
den stuckgezierten Sälchen und Täfern in
den Dimensionen der Räume wie in der Verwendung
des Schmuckes den soignierten
Ausdruck eines nicht zu anspruchsvollen, aber
doch gehobenen Lebensstandes in sehr anmutiger
Art zu finden wusste.
Aber dies waren doch Einzelleistungen,
nicht Fixpunkte eines einheitlichen Niveaus
und auch die Chance, die der Zuzug tüchtiger
fremder Stukkatoren zu den bedeutenden
Aufgaben in der Churer Residenz und im
Alten Gebäu bot (die man z. B. in der „Herrschaft
" sehr wohl wahrzunehmen verstand),
blieb hier fast ungenützt. Nur in den oberen
Räumen des Schlössli zu Flims, das damals
Herc. Dietegen von Salis-Seewis gehörte, finden
wir Spuren dieser Dekorationslreude, eine
Erscheinung, die uns an früher Gesagtes über
die Bedeutung dieser Familie für das bürgerliche
Bauwesen des 18. Jahrhunderts in den
Bünden erinnern mag. Und den Aktionskreis
dieses Geschlechtes streifen wir auch, wie
schon erwähnt, bei der Betrachtung der
Ilanzer Tore und Mauern, deren endliche,
wahrlich nicht überflüssige Erneuerung, —
denn sie waren „aus Versäumnuss in ruderi-
bus gelegen" — in diese Zeit fällt. Sie bilden
mit dem schlanken, freundlich bemalten Aufbau
des Obertores, der gefälligen Schweifung
des roten Tores und dem nestartig an die
Südostecke des Mauerringes geklebten, graziös
mit Zwiebelhaube bedachten Auslug
(Tafel 2 — 4) heute die einzigen Bauformen
dieser Epoche in Ilanz.
Was das ausgehende Jahrhundert hier
noch bietet, das sind vor allem jene von dem
Verlangen der Zeit nach Zierlichkeit bewegten
Dachformen — Haus Casanova in Truns
(Tafel 22), Cadalbert in Seewis (Tafel 28), Post
in Villa, — von denen schon die Rede war,
und es ist das mit Rocaillen und Muscheln
etwas derb geschnitze Täfer des dem bäuerlichen
Bau schon sehr nahe stehenden Hauses
Arpagaus in Laax (Tafel 36). Unbewegt aber
von dem gelenkigeren Wesen der Zimmermannswerke
bauen im Herzen von Truns die
Caprez ihre beiden stämmigen Steinhäuser
(jetzt Desax und Tödi) nach schwerer rätoromanischer
Observanz.
Die strengen Zeichen des klassizistischen Klassizismus.
Empire suchen wir, von Details (wie etwa
einer Türe in Ladir und dem Täferwerk im
Arms'schen Hause zu Valendas) abgesehen
im surselvischen Gebiet des Oberlandes vergebens
. Aber an der klassischen Stelle, wo
der Vorderrhein in dem einen Rhein aufgeht
, wo wir also abwärts wandernd das
Oberland verlassen, finden wir in Schloss
Reichenau (46, 47—52) das für Graubünden Reichenau.
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