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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_16_1925/0030
Sonne soviel auffangen können, als zu erraffen
ist. Sie sind alle mit warmem Täfer verkleidet
und der Hauptraum in der Südwestecke zeigt
in reicher Arbeit die barocke Freude an Eintiefungen
und Höhenunterschieden: Säulen
stehen frei vor der Wand, Architrave springen
in den Raum, die Deckenkassetten wechseln
nicht nur in den Formen, sondern auch in den
Tiefen, und da die Stichbogen der Fenstergruppen
von Stützen inwendig getragen sind,
so ergibt die Bank eine in der ganzen Wand
grosshinziehende,durchlaufendeHorizontale.

In diesem Haus nun treffen wir wieder auf
die Spur des Hans Ardüser, der von Lenz her,
wo er Schule hielt, im Frühling die Umgebung
nach Aufträgen für seinen geschäftigen Pinsel
abstreifte. So hat er im Jahr 1588 für den
Obersten Hartmannis, dem der Sitz damals
gehörte, die Aussenwände des Baues mit seinen
Schildereien bemalt und dafür „Gott dem
Herren si lob unnd danc" 50 fl. bekommen.
Leider ist das Erzeugnis dieser einträglichen
Hantierung unter einem späteren Verputz
völlig verschwunden. In der Dekoration der
oberen Eckstube aber (die er 3 Jahre später
ausführte) besitzen wir die älteste noch ziemlich
intakte Arbeit dieses munteren Gesellen.
Vergleicht man sie mit der Ausmalung des
Capol'schen Saales in Andeer, die er zwei
Jahrzehnte später vorgenommen, so sieht
man, dass der geschäftige Autodidakt sich
nicht besonders entwickelt hat. Seine Formenwelt
, seine Farben, ja auch die Grundlinien
der Einteilung des Ganzen sind gleich
geblieben, nur dass er später doch etwas
ökonomischer wurde und zu verstehen anfing,
dass weniger manchmal mehr ist. Was den
bildlichen Darstellungen in Parpan noch
einen besonderen Reiz hinzufügt, ist, dass
wir von einem dieser Bilder, der Schöpfungsgeschichte
, das Vorbild kennen. Er hat es
— unbekümmert und waghalsig genug —
von dem nach Holbein übersetzten Totentanz
im bischöflichen Schloss bezogen. Aber Holbein
hatte ihm zu wenig getan. Begnügte sich
das Vorbild mit sparsamen Details, die der
Erschaffung der Tierwelt zum Gleichnis
dienen, so füllte der Lenzer Schulmeister noch
die Gestirne, einen pausbäckigen Wind und
so viele Tiere hinein, als nur eben unterzubringen
waren. Aber was für ihn vergnüglich

war, blieb es auch für die Erben..

* *

*

Das Schanfigg ist, abseits der grossen Tran- schan/igg.
sitrouten, für eine Betrachtung des Bündner
Bürgerbaues nicht ergiebig. Zwar zieht an
seiner nördlichen Talseite ein alter Verkehrsweg
, aber er blieb auf lokale Bedeutung beschränkt
. Die Siedelungen sind rein bäuerlich
und den sparsamen Bedingungen des Bodens
entsprechend bescheiden; zudem haben in
den Wirren des Jahres 1622 die Österreicher
im Tal so gründliche Arbeit gemacht, dass
im Gericht St. Peter nur „zwei Stübli übrigblieben
." Auch in das Podestatshaus in Castiel
(Tafel 79, 81), erst drei Jahre zuvor erbaut,
flog die Brandfakel, aber der starke Steinbau
widerstand den Flammen. Inmitten der dunklen
, warmen, germanischen Holzbauten des
Tales scheint dieser mit dem sicheren Blick
für Geländemöglichkeiten beherrschend auf
den Kamm eines Schuttkegels gesetzte Mau erbau
von einer düsteren Fremdheit. Näher
betrachtet aber zeigen sich in dem Turm mit
Wendeltreppe, der Aussparung der Küche
aus dem Gang und den Fenstergruppen der
deutschen Bauelemente genug. Und vergegenwärtigt
man sieh noch, dass vielleicht
der Turm ursprünglich von einer Haube
gekrönt, dass die Wände mit Malereien und
Sprüchen geziert waren, so verliert der Bau
vieles von seiner unwirtlichen Miene.

Prätigau und Davos.

Wer zum erstenmal das Prätigau herauf- Germanisierung
kommt und aus dem Mund des Einwohners des Prätizaus-
den deutschen Laut walserischer Färbung
vernimmt, hält es für ein selbstverständliches
Ding, dass er hier die rötlichbraunen, meist
mit dem Giebel nach der Sonne gerichteten
Strick-und Gewetthäuser und die von unten
klein wie Nistkästen scheinenden Heuhütten
auf die Bergmatten verstreut findet. So ganz
unkompliziert aber liegen die Verhältnisse
hier doch nicht. Denn auch das Prätigau ist
rätisches Land und wir wissen es von Campell,
dass noch vierzig Jahre, bevor er seine Geschichte
geschrieben, (also ca. 1530) „viele
Prätigauer unter sich rätisch sprachen, im
Umgang mit anderen aber sich des Davoser-
schen Dialekts bedienten" und die Seewiser
und Serneuser auch damals noch die deutsche
Sprache nur ganz unvollkommen beherrschten
. Die Sprachumwandlung hatte erst im

XXVIII


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