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Stube fügte sich dann bei steigendem Anspruch
die Zustube, auch der Küchenraum wurde
geteilt, und so entstand ein Grundriss, wie
ihn dieses Jeuch'sche Haus zeigt: vorne zwei
Stuben, dann der querlaufende Gang und
hinten der Küchentrakt mit Küche und Speisekammer
. Seine Herkunft, als Aussparung
aus dem Küchentrakt, verrät der Korridor
dadurch, dass er wie dieser gemauert ist.
Der Oberstock birgt die Kammer und Zu-
kammer. Alle diese Wohnräume liegen im
gezimmerten Teil, der, als Kopfstrick, schon
von aussen die innere Einteilung sichtbar
macht.
Dieser Gedanke nun ist bei allen Sprecherhäusern
im Prättigau, wenn auch variiert, bereichert
und ausgesponnen immer am Grund
vorhanden. Das Haas Putzi in Luzein (Tafel
95, 98, 102) zeigt eine solche Anlage ziemlich
rein, nur dass sich hier das „Kuche-
gmach" schon zu einer kleinen Saletta ausgewachsen
hat. Das „grosse Haus", jetzt
Meier-Salzgeber (Tafel 95, 99, 101, 106), aber
entfaltete sich nach oben und schob zwischen
das Wohngeschoss und die Kammern eine
weitere Etage ein, die, wie das Parterre,
gegen Süden gestrickte und gegen Norden
gemauerte Räume enthält. Ebenso sind es
immer nur Varianten, wenn das Haus in der
Klus bei Küblis (Tafel 102—104) die Erdgeschossgewölbe
ansehnlicher ausbaut und
den Eingang nicht direkt in das Wohngeschoss
führt, sondern in das Parterre, —
es sind nichts anderes als Ausgestaltungen
und Weiterbildungen, die zu so stattlichen
Anlagen führen wie dem „Sprecher Haus"
in Luzein. Hier wuchs die Anlage nicht nur
in die Höhe, sondern dehnte sich in die
Breite. Drei Räume bilden die Front und im
Oberstock liegt an der durch den Balkon
nach aussen bezeichneten Stelle die „schöne
Stube". Bei bescheidenen Dimensionen reich
geziert, stammt sie offenbar von dem gleichen
Meister, der für einen andern Sprecher das
Täfer im Schlössli in Küblis (Tafel 103, 104)
arbeitete, ist jedoch opulenter. Die sorgfältig
kassettierte Decke zeigt wieder das Muschelmotiv
, das uns an die Arbeiten in der „Krone"
zu Grüsch erinnert. Die Wand aber wird
von einer Art Attika abgeschlossen, die zwischen
hohl geschnitzten Konsolen Medaillons
mit einem kräftigen Ornamentgeschlinge aufweist
, ein Motiv, das bei dem Täfer von
Küblis im Ansatz schon vorhanden ist. Wie
hier im eigentlichen Wohntrakt — nur in
urbanerer, geschmückter Rede, die sich auch
an Zwischensätze und komplizierte Perioden
wagt — im Grunde das Gleiche gesagt ist,
was der einfache Bau mit kurzen Worten
erledigt, so ist auch auf der Küchenseite
alles nur Ausschmückung des bäuerlichen
Hauses. Können wir schon am Haus Putzi
in kleinem Maßstab sehen, dass sich die
Spense zum Sälchen auszuwachsen vermag,
so ist hier an der gleichen Stelle ein grosser
Gewölberaum mit Stuck und Gesimsen entstanden
und darüber gar ein P'estsaal mit
einer Täferdecke von grossliniger Teilung,
mit einem Mittelfeld, das, von Allegorien
begleitet, ein stattliches Familienwappen
ziert.
Solche Anpassung an die bäuerliche Tradition
des Tales ist an sich schon ein Zeichen
beweglichen Sinnes. Dieser Grundzug
der WTalserart aber lebt in jenen Bauten
noch in vielen anderen Zeichen fort. Scheinen
Massentürmungen wie die Plantabauten
in Zuoz oder auch in Malans für die Ewigkeit
gebaut, so ist hier immer noch ein Rest
von Leichtigkeit da, von dem skeptischen
Wissen der Wandernden um die Vergänglichkeit
menschlicher Wohnstätten.
Das Motiv des Türvorbaues (man konnte
es schon in Grüsch an dem Ott'schen Familienhaus
dazu dienen sehen, die etwas
breitspurig geratene Fassade aufzulockern,
Tafel 82, 86) ist bei all diesen drei Häusern
in Luzein, von denen wir sprachen, variiert.
Die Vordächer mit kleinen Gewölben, von
runden, glatten, in der Mitte geschwellten
Säulen getragen, meist von reich wuchernden
Schlingpflanzen wie von Gardinen verhangen
, lockern die Wand heiter auf. In
diesem Zwischenbereich von Innen und Aussen
tritt das Innen gleichsam vor die eigene
Türe. Der Herankommende ist aussen schon
aufgenommen, schon unter dem Dach des
Hauses und gastlich berührt. Nirgends aber
ist ein Hof von solcher Anmut wie bei dem
„Sprecher Haus" (Tafel 101). Dass er Guts-
hof und Herrschaftshof zugleich ist, darin
liegt gerade etwas von seinem Zauber. Denn
er ist mehr dörflich idyllisch als repräsentativ
, mehr volksliedhaft als von weltmännischer
Allüre. Gewiss hängen im Geäste alter
Linden viele Träume, aus denen sich eine
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