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denil eines anderen vergleichen." Zur
deutlichen Kennzeichnung der Grenzlinie
der gemeinsamen Brandmauer wurde an
geeigneter sichtbarer Stelle ein Loch in der
Form ausgespart, das sogenannte
„Gerechtigkeitsloch", dessen Grund die
Mitte der Brandmauer angibt. Solche Markierungen
finden sich noch in vielen alten
Häusern vor. Ebenso wurde das Recht,
dass eine bestehende Brandmauer nach
einem Hofe vom Nachbar ebenfalls zu Anbauten
benützt werden dürfe, durch Kragsteine
oder Konsolen angedeutet.
Aus der Bemerkung Haffners über die
für die Bauten verwendeten Kalksteine erklärt
sich die Einfachheit der architektonischen
Details bei den Profanbauten.
Das harte, schwierig zu bearbeitende Material
gestattete die Anwendung feiner,
zierlicher Profile nur in den seltensten
Fällen. Aus dem gleichen Grunde finden
wir die gotischen Bauformen, die sich bis
ins 17. Jahrhundert erhielten, nur roh behandelt
. Da, wo das Dekorative in höherem
Masse zum Ausdruck kommen sollte,
verwendeten die Steinmetzen einen weicheren
, leichter zu bearbeitenden Stein.
Nicht umsonst bestand ein lebhafter
Schiffsverkehr mit dem Neuenburgersee,
von wo der feinkörnige Neuenburgerstein
mit seinem warmen gelben Farbton nach
der Aarestadt verfrachtet wurde. Hübsche
Arbeiten in diesem Material finden sich
hauptsächlich an Haustüren des 16. und
17. Jahrhunderts. Der gelbe Stein eignete
sich besonders für Bildhauerwerke, wie
z.B. die Statuen auf den Brunnensäulen;
Pisoni Hess auch die korinthischen Kapitale
der St. Ursuskirche und die meisten
übrigen Bildhauerarbeiten in Neuenburgerstein
ausführen; sie wurden allerdings
nachher, um dem weissen Kalkstein der
Fassaden zu entsprechen, weiss getüncht.
Die Stadt muss im 16. Jahrhundert
durch ihr schmuckes Aussehen und die
ausgezeichnete landschaftliche Lage auch
auf die Fremden Eindruck gemacht
haben, nennt doch schon Benvenuto Cellini
, der 1533 oder 1538 auf seiner Reise
von Italien nach Frankreich durch die
Schweiz zog, Solothurn eine schöne Stadt.
Das Museum besitzt verschiedene Ansichten
der Stadt aus jener Epoche. Die
ältesten Stadtprospekte von Hans Asper
aus demjahrel546 und vom Zeichner und
Kupferstecher Gregorius Sickinger von
1591 sind zwar nicht auf uns gekommen.
Von ersterem besitzen wir nur eine Kopie
von Oberst Altermatt aus dem Jahre 1826,
gestochen von Kümmerlin in Solothurn.
Eine sehr genaue Wiedergabe des Stadtbildes
stammt von Merian dem Älteren,
zwischen 1580 und 1610 gezeichnet, während
der Scheibenriss von Wolfgang
Spengler von 1659 (Taf. 3) namentlich
die mittelalterlichen Schanzenmauern am
getreuesten zur Darstellung bringt. Die
Stadt mit dem neuen Schanzenkleide zeigt
uns die vorzügliche Zeichnung Herrlibergers
aus dem Jahre 1758 (Taf. 3) mit zwei
Ansichten, einer von Süden und einer von
Westen. Auf den sogenannten Regimentsund
Wappenkalendern mit den auswechselbaren
Bildnissen der Gnädigen Herren
und Obern, die einen reich gezierten Frontispiz
darstellen, befindet sich eine Stadtansicht
von Süden. Diese Prachtstücke
von Zeichnungen, 1,80 m hoch und 90 cm
breit, waren von den Künstlern Baumgartner
gezeichnet und Kupferstecher
Klauber in Augsburg gestochen. Bemerkenswerte
Ansichten der Stadt stammen
von der kundigen Hand E. Büchels, aus
dem 18. Jahrhundert.
Das 16. Jahrhundert zeichnete sich ganz
besonders durch den Aufschwung des
Kunstgewerbes aus, der namentlich der
Heranziehung auswärtiger Künstler zu
verdanken war. Im Gegensatz zur Erschwerung
der Bedingungen für die Aufnahme
in das städtische Bürgerrecht
zeigte sich die Bürgerschaft sehr freigebig,
wenn es sich um die Aufnahme von Künstlern
und Gelehrten handelte. Die im Jahre
1581 aufgestellte Bürgerrechtseinkaufstaxe
enthielt den Vorbehalt: „Doch behalten
sich meine Herren vor, obgemeldete
Taxe zu moderieren gegen die Künstler
und andere Handwerksleute, ohne welche
eine Stadt nicht sein mag." Sogar als
spätere engherzige Beschlüsse die Aufnahme
neuer Bürger während mehrerer
Jahre sistierten, behielten sich „meine
Herren" jedoch vor, gewaltige, wohlbemittelte
Fabrikanten und Trafikanten,
berühmte Künstler und Handwerksmei-
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