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„Ritterburg", die im Jahre 1574, also fast
zu gleicher Zeit, von Christoffel Tschudi,
dem Herrn von Gräplang, für seine kinderlose
Gemahlin Amalia Nußbaum ausdrücklich
als Witwensitz erbaut wurde.
Eine frühphotographische Ansicht des
Platzes, im Besitz von Herrn Dr. Schmon,
zeigt nun allerdings, daß diese Ritterburg
ursprünglich wesentlich trutzigere Formen
aufwies, da in der massiven Platzfront
die nach gotischen Grundsätzen
ungleich verteilten Fenster als kleine
Löcher in der mächtigen Fläche saßen.
Die spätere Zutat des Balkons und die
Vergrößerung der Fenster haben diese ursprüngliche
Wirkung wesentlich beeinträchtigt
.
Immerhin gibt heute noch der Treppengiebel
des mächtigen Satteldaches eine
Ahnung von der Trutzigkeit dieses Tschu-
di'schen Witwensitzes, mit dessen Errichtung
der Herr von Gräplang seine Gemahlin
über seinen Tod hinaus vor der
Unbill der Welt zu schützen trachtete. In
der hölzernen, mit Kerbschnitten einfach
ornamentierten Verkleidung der Fenster
über dem Mauerstock der beiden Seitenansichten
findet sich die Jahrzahl der Errichtung
des Baues: 1574, eingekerbt.
Das Innere der Ritterburg erfuhr im
Laufe der Jahrhunderte die verschiedensten
baulichen Veränderungen. Über der
Türe des Wohnzimmers im ersten Stock
verewigt sich Anna Maria Tschudi als
erste Renovatorin des Hausinnern, der
1893 und 1931 die späteren Besitzer mit
noch eingreifenderen Änderungen folgten.
Immerhin geben die Fensterpfosten und
Fenstersitze noch den Eindruck der alten
Wohnlichkeit der Räume wieder, und auf
dem Estrich ruhen die alten Wandverkleidungen
mit den Renaissanceprofilen
und einfachen Kerbschnitten als Zeugen
der einstigen Ausstattung, die einer praktischeren
Neueinrichtung im Treppenhaus
und in den Wohnzimmern weichen mußte.
Zwischen den Industrieorten des Oberlandes
liegen an der großen Verkehrsstraße
oder an den Abzweigungen der
Straßen nach den Seitentälern kleinere
Ortschaften rein bäurischen Charakters.
Meist spielt das Kirchlein die architektonische
Dominante als einziger Steinbau,
wie etwa in Tscherlach, wo nahe bei der
Kirche ein typisches Bauernhaus mit
heute allerdings (im Gegensatz zum alten
Bild Tafel 16, Haus Tschuß) erneuertem
flachem Satteldach eine vielfach zu findende
Verbindung von Blockbau mit
Mauerwerk aufweist. Dabei ist der hölzerne
Konstruktionsteil der Wohnung zugedacht
, während der steinerne Anbau
dem Treppenhaus und Gaden dient.
Tafel 17
Während Flums eine weitverzweigte
offene Bauweise ohne besondere Platzgestaltung
aufweist, wird zu Mels im Dorfplatz
vor dem Gemeindehaus so etwas wie
kleinstädtische Raumwirkung erstrebt,
was mit der Entwicklung der verschiedenen
Industrien, der Eisenerzgewinnung,
der Glashütte, der Mühlsteinfabrikation,
zusammenhängen mag und auf die Pflege
gewisser Märkte hinweist. Die heutige
Platzanlage hängt mit der fast vollständigen
Vernichtung des Dorfes durch den
großen Brand von 1768 zusammen. Vor
diesem Brand stand auch der alte „Schlüssel
" am Dorfplatz, während der heutige
Gasthof in das Privathaus der Familie
Good verlegt wurde. Durch ein einfach
gerahmtes doppeltüriges Portal betritt
man den gewölbten Hausflur dieses Gasthofes
, an dessen Ende die Stiegen zum
Keller hinunter und hinauf zum ersten
Stock führen. Die Kellertüre ziert eine
Supraporte von holländischem Landschaftscharakter
, den Aufzug zu einer
Burg darstellend. Es dürfte sich vermutlich
um eine Arbeit eines der beiden
Dilettantenmaler der Familie Good handeln
, von denen Dionys im Jahre 1815
nebst militärischen und juristischen Betätigungen
in Holland auch der Malerei
oblag. Zur heutigen Gaststube führt eine
harthölzerne Empiretüre. Das Innere der
Stube ist in Weichholz ausgetäfelt, wobei
die Decke im Naturton gehalten, die
Wandverkleidung jedoch grau gestrichen
wurde. Die Türe, die zum Nebenraum
führt, ist wiederum in Hartholz ausgeführt
. Der Wechsel dieser Holzarten
bringt einen warmen Grundton in den
Raum, dessen heimelige Wirkung durch
den einfachen weißen Kachelofen noch
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