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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_buergerhaus_29_1937/0030
noch den Eindruck der erhöhten Intimität
und geheimnisvoller Romantik alter Gewohnheiten
verleiht. Wirft man da und
dort einen Blick in das Hausinnere, dann
staunt man über die Primitivität der
Innengestaltung, sieht, wie aus kellerartigem
Vorraum eine Holztreppe einfachster
Konstruktion in den Wohnstock
führt, wo Küche, Wohnzimmer und Kammer
sich in den vorhandenen Raum teilen.

Während der Marktplatz von einigen
Bauten umgeben ist, die sich im XVII.
Jahrhundert meist ein neues Gewand zulegten
und im Laufe der späteren Jahrzehnte
auch dem Bedürfnis nach dekorativer
Ausgestaltung in der spätbarocken
Bemalung der Fensterverschalungen und
in zahlreichen Haussprüchen Folge gaben,
bleiben die Holzhäuser jener Straßenpartien
, wo die Enge des Raumes eine
repräsentative Entfaltung nicht gestattete,
von mittelalterlicher Bescheidung. Die
Holzpfosten der Arkaden scheinen unter
der Last der Jahre ihrer lotrechten Bestimmung
müde geworden zu sein und
folgen einem Schub, der das ganze Haus
nach der Straße zu ausläden läßt. So verengert
sich die Gasse durch das Einwärtswenden
der oberen Häuserpartien derart,
daß die gegenseitigen Firste sich oben fast
berühren. So scheint sich das alte Gesetz
des Stangenrechtes im Straßenraum nach
oben zu mildern auf Kosten des Einfalls
wohltuender Sonne.

Was den Streifzug durch diese fast
märchenhaft wirkende Erinnerung an
frühere Bauformen, an primitives Wohnen
der alten Schweizer — das uns hier wirklich
und greifbar vor Augen geführt wird
— so erlebnisreich gestaltet, das ist der
reiche Wechsel in der Struktur des Holzbaus
vom ältesten und einfachsten Blockbau
der aufeinandergelegten Balken mit
ihren sichtbar vorstoßenden Köpfen in
der Front, über den verschalten Fensterstock
zum Schindelschutz und bis hinein
in den Ubergangstyp von Holz und Steinbau
, den Riegelbau. Eine alte Tradition
hält sich in Werdenberg bis heute aufrecht,
das sichtbare Balkenwerk mit Stierenblut
zu bestreichen, sowohl dem primitiven
Sinn für Schmuck, wie auch dem realen
Bedürfnis der Erhaltung entsprechend.

Den massiven Steinbau vertreten, wie
bereits erwähnt, nur das Hilty-Haus,
dessen sinnvoller Wahlspruch allerdings
schon Zeugnis ablegt für eine neuzeitliche
Umgestaltung des Äußern wie des Innern
zu einem nach heutigen Begriffen wohnlichen
Sitz. Daß hier ein Hort für Werdenbergs
Geschichte und Kulturvergangenheit
geschaffen wurde, das lehrt auf Schritt
und Tritt den Besucher der alte Kunst-
und Heimatgeist der Sammlerfamilie, der
mindestens soviel aus Werdenbergs Vergangenheit
zu erzählen weiß als die
fleißigen Aufzeichnungen des David Heinrich
Hilty über Werdenbergs Geschichte.

Dem ehemaligen Rathaus am oberen
Ausgang des Städtchens, einem gleichfalls
massiven Steinbau mit alten gotischen
Fensteranordnungen, mit jeweils erhöhtem
Mittelfenster, kam doppelte Funktion
zu. Es sollte zugleich Schutztor gegen
Norden sein. Daher im Erdgeschoß der
Straßendurchgang — wie er übrigens in
Rothenburg ob der Tauber unter dem
Chor der Kirche durchgeht — mit den
alten Vorrichtungen der Tore. Die älteste
Anlage des Baues stammt aus dem Ende
des XV. Jahrhunderts. Als ihm später der
Zweck eines Schulhauses zugewiesen
wurde, erhielt der Bau im XVII. Jahrhundert
einen entsprechenden Um- und
Ausbau des Obergeschoßes.

Dem Wochen- und Jahrmarktsbetrieb
entsprang wohl die Anlage des Monta-
schiner-Hauses mit den drei mächtigen
Bogen des Erdgeschoßes und ihrer farbigen
Vortäuschung von Quadereinfassung.
Die verschalten Fenster und Zugläden des
ersten Stockes ragen balkonartig über die
Wände des Erdgeschoßes hinaus und sind
durch kleine Trägerbalken gestützt. Die
Fenster selbst sind in Holz ausgerüstet.
Sie sind in kühner Verschobenheit in der
Front angeordnet. Zwischen den Fenstern
des Obergeschoßes — im Schutzbereich
des Daches — sind die beiden Haussprüche
angebracht, die wir hier als Beispiele aus
der Menge solcher Sprüche in Werdenberg
aufführen :

„Diss hus ist gebuwet von Montaschiner
dem edlen Bluet, der nit vil gwünt
und vil vertuet."

XXVIII


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