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mit ruhiger Dachfläche und harmonischer
Verteilung der Fenster als Vorbild einfacher
Gestaltung wirkt. Das Balgacher
Rathaus (Tafel 49) stammt aus dem Jahre
1566, wurde durch beidseitige Anbauten
in seiner ursprünglichen kraftvollen Fassadenwirkung
zwar beeinträchtigt, vermag
uns aber immerhin noch die Baugesinnung
jener Zeiten, mit der gotischen
Trutzigkeit nur spärlich durchbrochener
Mauerflächen und dem knapp vorspringenden
Satteldach aufzuweisen. Im Innern
erfreut bei aller Verwahrlosung der ehemaligen
Wohnlichkeit manch verbleibendes
Detail von gutem Werksinn, so etwa
eine Fenstersäule aus gotisch profiliertem
Sandstein als Trägerin der Fensterbogen
oder die geflammten Fenstergitter vor den
kleinen Kellerfenstern. Als größte Uber-
raschung wirkt der einst schmuckvolle,
heute ganz zum Estrich degradierte Ratssaal
mit den bemalten Balken und den
sterbenden Malereien auf den Holzwänden
. Die Bilder sind offenbar als einheitlicher
Zyklus hingemalt worden, stellen
Turnierszenen und Tiermotive in Rankenwerk
dar und künden den Geist des ausgehenden
XVI. Jahrhunderts. Es wäre
höchste Zeit, will man die Malereien vor
dem Untergang retten und das ganze
Baudenkmal einstigen Bürgersinnes vor
dem letzten Zerfall hüten.
Tafel 50—57
Schloß Grünenstein
Das alte Schloß Grünenstein, dessen
Bewohner, die Edlen von Grünenstein,
in der Geschichte von Balgach eine bedeutende
Rolle spielten, wurde im Jahre
1776 vom damaligen Besitzer, Zeugherr
Fridolin Schindler von Mollis, bis auf den
mächtigen Turm abgetragen und durch
den heutigen mächtigen Barockbau ersetzt
. Im Jahre 1791 erwarb Jakob
Laurenz Custer, der Sohn des Erbauers
des Hauses ,,Reburg" zu Altstätten, der
eine Base aus dem Löwenhof zu Rheineck
geheiratet hatte und zu dieser Zeit selbst
auf dem Löwenhof als Geschäftsherr saß,
das neuerstellte Schloß. Er sicherte später
den Sommersitz durch die Errichtung
eines Fideikomisses der Familie.
Der gewaltige viereckige Turm mit der
Aussichtsterrasse vor dem eingezogenen
Oktogonaufsatz mit dem Glockenhelm
beherrscht auch heute noch das architektonische
Gesamtbild des Schlosses. Die
beiden Wohnteile links und rechts des
Turmes, die mit der Firsthöhe der Mansardendächer
die Linie der Aussichtsterrasse
übernehmen, sind in vorzüglicher
Überlegung der Baumassen dem alten
Mauerwerk angegliedert. Die vier Eck-
pilaster betonen die Vertikale der Neubauten
in hochstrebendem Sinne. Die
Horizontalwirkung der Fenster im Wohnbau
, der Tore im Ökonomiebau links,
schafft wohlklingenden Ausgleich des Höhenschubes
des alten Turmes.
Betrachtet man die Fassade des Wohnbaus
auf ihre Elemente, dann wirft sich
unwillkürlich die Frage auf, ob nicht
Vater Johann Haitiner der Baumeister
dieses Schlosses sei, denn, abgesehen von
der Dachbildung, ergibt sich in der Anordnung
der Fenster eine auffallende
Ubereinstimmung mit dem Hause „Re-
burg" in Altstätten. Man beachte hier
wiederum das direkte Aufsitzen des Daches
auf den obersten Fenstern. Nun hatte
der Erbauer Fridolin Schindler allerdings
einen Sohn, der im Jahre 1755 geboren,
sich im Ausland als Architekt geschult
hatte, weshalb man ihm, dem Zwanzigjährigen
gerne den Bau von Grünenstein
zuspricht. Daß er der Entwerfer des
„Haltli" in Mollis ist, liegt außer jedem
Zweifel. Dagegen liegen für Grünenstein
so viele Zusammenhänge mit der rhein-
talischen Baukunst vor, daß wir eher zur
Annahme neigen, Konrad Schindler habe
sich beim Bau von Grünenstein an der
Arbeit Haitiners beteiligt. Ihm wäre in
diesem Falle wohl vor allem die Gestaltung
des Portales mit dem dekorativen
Aufbau und dann wiederum die innere
dekorative Ausstattung der Wohnräume
und Salons zuzuweisen, bei der sich
formale Beziehungen zu seinem späteren
Bau des „Haltli" wie auch in der Portalbildung
erkennen lassen.
In der grundrißlichen Anlage mit der
Verlegung des Treppenhauses nach hinten
lassen sich die Haltinerschen Baugrundsätze
erkennen, die dieser übrigens in
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