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starker Anlehnung an seinen Schwager
Grubenmann durchbildet.
Von überaus vornehmer Raumwirkung
ist der Musiksaal im zweiten Stockwerk,
der auf verhältnismäßig niedriger, stoffbespannter
Wand eine mit leichter Hohlkehle
aufsitzende Stuckdecke zeigt, deren
Schmuck mit den Stukkaturen des Hauses
„Reburg" in Altstätten und mit dem
Stuck des „Hofes" zu Ragaz aufs engste
zusammenhängt. Die harthölzernen Türen
von einfachster Form wirken in diesem
Raum durch ihren warmen Ton als feinerwogene
Stimmungs-Gegensätze zur
Wandbespannung und zum kühlen Stuck,
der nicht mehr in Weiß über die Fläche
fährt, sondern leicht getönt sich vom
Grunde abhebt. Die Putten und allegorischen
Figuren, die hier frei in den
seitlichen Mittelmedaillons schweben, finden
ihre plastische Wirkung in hellem
Weiß auf weißem Grund.
Schloß Grünenstein begnügt sich aber
nicht mit der architektonischen Geltung
des Wohnbaus und der entsprechenden
Wirkung des Ökonomiegebäudes. Der
Bauherr wollte die landschaftliche Verbundenheit
dieses Sommersitzes mit einem
gepflegten Garten bekunden. Man erkennt
diese ursprünglichen Anlagen am besten
aus der „Vogelschau", wenn man von der
Aussichtsterrasse des mächtigen Turmes
in die gezirkelten Gartenkünste mit dem
kleinen Gartenpavillon, der wie eine
Stilabbreviatur des Wohnbaues dasteht
und wohl eine selbständige Arbeit Konrad
Schindlers darstellt, hinunterblickt. Ein
besonderer Formenreichtum tritt dem
Besucher aber entgegen, wenn er die verschiedenen
Gartentore auf ihre handwerklichen
Feinheiten prüft. Und mit
welcher zeichnerischer Sicherheit ist das
Schutzgitter der großen Aussichtsterrasse
hingeworfen, das in seiner Zierlichkeit die
ganze Ubermonumentalität des alten Turmes
zu brechen vermag und überleitet
zum eingezogenen Oktogonbau.
Im Schloß Grünenstein verzeichnet
unser Rundgang durch die Bürgerhäuser
des äußern Kantons St. Gallen wohl die
feierlichste Architekturleistung von einheimischer
Durchgestaltung. Wohl ist der
Löwenhof in Rheineck noch eindrucksvoller
und mächtiger, doch ist sein Bauherr
mit dem Ausland derart verbunden,
daß wir ohne weiteres auch auswärtige
Baukünstler als seine Schöpfer annehmen
dürfen. Grünenstein aber ist in seiner
ganzen Haltung schweizerische Baukunst.
Bei aller Beeinflussung durch das Ausland
bleibt ein gewisser Kern bodenständiger
Empfindung und vor allem ein unleugbarer
Sinn landschaftlicher Verbundenheit
, während im Löwenhof die schweizerische
Eigenart geradezu auffällig durchbrochen
wird, weshalb der Prachtsbau im
Flecken Rheineck als außergewöhnliche
Erscheinung immer irgendwie befremdet.
Tafel 59—61
Berneck
Im nahen Heerbrugg steht auf der Anhöhe
ein Herrensitz, der dem Schloß
Grünenstein nachgebildet scheint. Er steht
an der Baustelle der alten Burg „Heerbrugg
", die der Abt von St. Gallen schon
um 1078 zum Schutze der klösterlichen
Besitzungen erstellen ließ. Spätere Bauten
brannten im Jahre 1774 ab. Bartholomäus
Schlumpf aus St. Gallen errichtete darauf
den im Bilde wiedergegebenen Neubau
(Tafel 59) mit dem typischen Mansardendach
und Frontgiebel. Die Angleichung
an Grünenstein durch den mächtigen
Wohnturm und den Umbau des alten
Schlosses von ca. 1780 in ganz modernem
Sinne ließ der heutige Besitzer
besorgen.
Das Fürstenhaus zu Berneck, das einem
äbtischen Unterbeamten als Wohnsitz
diente, während der Obervogt auf Schloß
Rosenburg hauste, ist wohl im Jahre 1729
in der Fassade erneuert worden. Denn,
wenn man durch das breite Kellertor eintritt
, gewahrt man auf zwei Meter Distanz
eine nochmalige Außenmauer von starker
Dimensionierung. Diese führt dann direkt
in den mächtigen tonnengewölbten Keller,
in dem das Kloster seinen Weinzehnten
einzulagern gewohnt war. Schmale Fensterstichkappen
lassen spärliches Licht
eindringen.
Unter den beiden Mittelfenstern des
ersten Stockes sitzt in der Fassade das
Wappen des Fürstabtes Josephus Rudolfi
XXXVI
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