Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0017
wickelt; in seinen späteren Werken steht er sogar
fast nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Er hatte
eine neue Sangesweise gefunden, die von hundert
jubelnden Stimmen nachgesungen und in allen Tonarten
moduliert wurde, so dass fast seine eigene
Stimme davon übertönt wurde.

Von dem Kunstunternehmer Squarcione, den
man als seinen Lehrer bezeichnet, wird Mantegna
kaum etwas Nennenswertes gelernt haben können; er
wird wissbegierig den ernsten Studien Jacopö Bellinis
und seiner Söhne gefolgt sein, ihnen ihre Technik
und ihre Methode des Formenstudiums abgesehen
haben, er wird von dem grossartig ernsten Piero della
Francesca, dem Giotto des Quattrocento, von den
Florentinern Paolo Uccello und Filippo Lippi, die
damals in Padua thätig waren, Anregung empfangen
haben. Vor allem aber ist Donatellos Kunst von
grossem Einfluss auf ihn gewesen.

Mantegna und Donatello streben beide, wie überhaupt
alle selbständigen Künstler der Frührenaissance,
nach dem unmittelbaren Ausdrucke des individuellen
Charakters in Gefühl und Handlung. Jeder von
ihnen trägt aber in die Darstellung der Wirklichkeit
seine eigene Gefühlsweise hinein, indem er wesentlich
die Eigenschaften hervorhebt, die seinem eigenen
Charakter am nächsten liegen. So steht die dramatisch
-heftige Gefühlsäusserang der Gestalten des
grossen Florentiners in ganz bezeichnendem Gegensatze
zu der inneren Sammlung der Gefühle, dem
Insichgekehrtsein der Personen des Norditalieners,
die fast träumerisch unbewusst zu handeln scheinen.

Donatellos Georg steht fest da wie eine Schildwache
, scharf ausblickend nach dem Feinde, zum
Kample bereit, ein Bild der (lorentinischen Schlagfertigkeit
in That und Rede; Mantegnas leicht und
elegant bewegter Jüngling hat etwas Elegisches, fast
Sentimentales im Ausdrucke, eine Milde, die der
\ erteidigung vor dem Angriffe, dem Schweigen vor
heftiger Gegenrede den Vorzug geben wird.

^ ährend Donatello die Erregung seiner Personen
vornehmlich durch ihre heftigen Bewegungen
ausdrückt, in denen die Uebermacht der Gefühle
sich Luft macht, lässt Mantegna die heftige Gefühlserregung
seiner Gestalten in ihrem Bestreben, sie zu
beherrschen und in ihr Inneres zurückzudrängen,
erkennen. Charakteristisch ist hierfür die vielfach
(auch von Dürer) kopierte Gestalt des heiligen Johannes
in Mantegnas berühmtem Kupferstiche der
Grablegung, dem auch Raffael das Motiv seiner
Grablegung (der Sammlung Borghese) entlehnt hat.

Es ist ganz natürlich, dass man Mantegna, dem
Maler, die zu statuarische Haltung seiner Gestalten
zum Vorwurf gemacht hat, wie Donatello, dem Bildhauer
, die allzu malerische, bewegte Darstellung der
Personen und Handlungen.

Mantegnas Talent liegt allerdings wesentlich in
der Darstellung des Zuständlichen, wie ja überhaupt
die „sacra conversazione", das Gruppenbild ohne
Handlung, für die norditalienische Kunst charakteristisch
ist; das dramatische Element liegt seiner
sinnigen, mehr das Bestehende als das Geschehende
beobachtenden Natur ferner. Wo er dramatische
Erregung schildert, verfällt er leicht in die Grimasse,
da er die Einzelbeobachtung nicht genügend der
Gesamtwirkung unterordnet. Er hat wohl einzelne
Gestalten in energischster Bewegung meisterhaft darzustellen
vermocht; das beweist z. B. in seinem Fresco
der Hinrichtung des hl. Jacobus, in der Eremitaner-
kirche in Padua (vgl. Taf. 10), der zum Schlage ausholende
Henker, zu dessen herkulischer Anstrengung
der in nachlässiger Gleichgiltigkeit über den Zaun
gelehnte Offizier in tragisch wirkendem Kontraste
steht. Aber in der ganzen Komposition herrscht
kühle Ruhe vor, es fehlt das Zusammenwirken aller
einzelnen Gestalten zu einem dramatischen Höhepunkt
der Handlung.

Mantegnas Grösse und seine gewaltige Wirkung
auf die Mit- und Nachwelt beruht wesentlich auf
der Vereinigung der tiefempfindenden, individuellen
Naturbeobachtung mit jener grossartigen gedankenvollen
Ruhe der Auffassung und des Vortrages, die
eine harmonische Gesamtwirkung, eine poetische
Stimmung hervorbringt. Gerade weil er in seinen
Mitteln so einfach ist, oder wenigstens scheint,
erzielen seine Werke das Höchste, was ein Kunstwerk
erreichen kann: in dem Beschauer einen bestimmten
, grossen und bleibenden Eindruck zurückzulassen
.

Mantegnas Werke zeigen durchgehends eine überaus
feine, minutiöse Wiedergabe aller auch noch
so nebensächlich scheinenden Einzelheiten die
Quattrocentokunst ging eben, wie später auch die
moderne Wissenschaft, vom Studium des Einzelnen
aus - -, sie lassen das sorgfältigste Studium aller
Bewegungen und Formen der Gestalten wie ihrer
Gewandung und ihrer Umgebung erkennen. Die
architektonischen und landschaftlichen Hintergründe
könnten oft für sich schon reizende Genrestücke
bilden, wie z. B. die Arbeiter im Steinbruch auf
dem Madonnenbildchen in den Uffizien in Florenz.
Seine Gestalten stehen fest und sicher auf dem
horizontal erscheinenden Boden. Viele Generationen
von Künstlern hatten sich vergeblich an diesem
schweren Problem abgemüht, Mantegna ist einer
der ersten, der es für den künstlerischen Eindruck
vollständig löst. Wie seine Genossen ist aber auch
er nicht sowohl durch seine wissenschaftlichen
Studien der Perspektive zur künstlerischen Wiedergabe
des natürlichen Eindruckes gelangt, sondern
umgekehrt wurde er gerade durch sein feines Gefühl


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0017