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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0020
Notwendigkeit herankommen; denn ungewöhnlich
glaubwürdig ist das Leben seiner Gestalten und
stets überraschend klar die Darstellung. Das
Unheimliche namentlich eines mühelos einher-
schreitenden Verderbens wusste er schon früh mit
dämonischer Gewalt zu schildern. Ja es äussert
sich schon im Anfang seiner zwanziger Jahre eine
Stimmung, als ob Rethel mehr als andere Sterbliche
das Gefühl von unheilschwangeren Schicksalsmächten
gehabt hätte, die über uns schweben, um
plötzlich und mit unwiderstehlicher Gewalt in das
Leben des Menschen niederzufahren.

In Frankfurt erhielt er bald, schon als Dreiundzwanzig
jähriger, infolge einer siegreichen Konkurrenz
, den Auftrag zum Hauptwerk seines Lebens,
das Rathaus in Aachen mit monumentalen Fresken
aus der Geschichte Karls des Grossen zu schmücken;
aber so begeistert die Nachricht dort aufgenommen
wurde, dieser Auftrag sollte nun die Tragödie seines
Lebens werden. Zunächst wurde die Arbeit durch
ein hässliches Parteigezänk um sechs Jahre hinausgeschoben
und der Künstler musste sich anderen
Aufgaben zuwenden. Er benutzte die Zeit, sich
weiter auszubilden, so machte er eine Studienreise
nach Dresden und dann nach Rom, und unaufhörlich
gingen neue Werke aus seiner Phantasie
hervor.

Das reifste Werk dieser Zwischenzeit ist
sein Hannibalzug, ein Cyclus von sechs Kompositionen
, die später in Holzschnitt publiziert wurden.
Er zeichnet da, immer nur mit wenigen Figuren
und in grossen Zügen, die Schrecknisse des
kühnen Zuges, und hier ist schon mehr als früher
das Grandios-Schreckliche das poetische Moment.
Noch mehr sollte sich dies in den letzten Jahren
seiner Thätigkeit herauskehren.

Schon die Jahre der Ungewissheit waren für den
Künstler ein drückender Fluch gewesen, in Aachen erwarteten
ihn nun aber neue Leiden. Die Stimmung
wird düsterer; im gleichen Grade aber nimmt seine
Kunst noch einmal einen letzten höchsten Aufschwung,
noch einmal wird sie grossartiger, eindringlicher und
packender. Mächtiger werden seine Gestalten und
eigentümlich knorrig sein Faltenwurf. Noch mehr
versteht er es jetzt, alles auf den Gesamteindruck zu
konzentrieren und jedes Glied jeder Gestalt zu einer
Gesammtstimmung von durchschlagender Gewalt
auszunützen. So entstehen in den Wintermonaten
der letzten Jahre, die er in Dresden zubringt, neben
den Cartons zu seinen Fresken die ergreifendsten von
all seinen Schöpfungen, seine Todesbilder. R.ethel hat
während der blutigen Unterdrückung des Dresdener
Aufstandes im Frühjahr 1849 ähnliches miterlebt wie
Böcklin gleichzeitig in Paris. Während der Arbeit
am Carton der Schlacht bei Cordova hörte er in

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seinem Atelier das Knattern der Gewehrsalven und
das Toben des Strassenkampfes von ferne herübertönen
und daraufhin schildert er uns nun in sechs
Holzschnitten den Tod als den eleganten und perfiden
Volksaufwiegler, der sein Schäfchen scheeren will,
und lässt ihn im letzten Bilde als alleinigen Trium-
phator über die blutgetränkte Barrikade reiten. Der
Cyclus trägt den Titel „Auch ein Totentanz", und
erregte in den Tagen der Ernüchterung und Enttäuschung
ungeheures Aufsehen. Er hat sich auch
am tiefsten von allen Werken in das Gedächtnis der
Nation eingegraben. Im Anschluss an den Totentanz
entstanden dann noch eine Reihe ähnlicher
Bilder. Namentlich die beiden Holzschnitte ,.Der Tod
als Feind" und „Der Tod als Freund". Im ersten,
jedenfalls dem schauerlichsten von allen, schildert er
das Auftreten der Cholera auf dem Pariser Carneval
im Jahre 1831. Da steht der Tod als Domino gespensterhaft
beschattet unter dem Kronleuchter im
hellen Festsaal und spielt der Gesellschaft zum Tanze
auf und rings fliehen die Lebenden und liegen erstarrt
die Toten. In dem schönen Gegenstück aber hat der
Tod einem greisen Türmer die Arbeit abgenommen
und läutet nun selbst die Glocke beim Abendsonnenschein
.

Von den Fresken in Aachen sind vom Meister
selbst ausgeführt worden der Besuch Otto III. in der
Gruft Karls des Grossen, der Sturz der Irmensäule
(vgl. Bd. I Tf. 86), die Schlacht bei Cordova und der
Einzug in Pavia. Es sind Historienbilder, die im allgemeinen
den in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts
beliebten Charakter tragen. Mit wenigen
Hauptfiguren, meist mehr symbolisch als durch eine
charakterisierende Episode, ist der historische Vorgang
dargestellt. Aber bei Rethel fehlt das Kokettieren mit
dem Gefälligen, Sentimentalen und Seichtromantischen
, er führt ein Volk von Helden in energischem
Handeln uns vor und die herbe Grösse der Auffassung
vereinigt sich nun auch mit einer Farben-
gebung, die zwar sehr zurückhaltend, aber doch
stimmungsvoll ist und noch immer modern wirkt.

Hatten aber die jetzt veralteten Jugendwerke
des Frühreifen überall nur den reichsten Beifall gefunden
, so war Rethel nun über diese hinausgewachsen
und stand zudem allein in Aachen gegen
eine voreingenommene Partei. Nun ging es auch
ihm wie später Feuerbach und Böcklin und heute
den Bahnbrechern der Freilichtmalerei, das Unvergängliche
, das er schuf, erregte wie alles Unsterbliche
in der Kunst die Entrüstung fast aller,
die sich darüber zu urteilen fähig fühlten. Ungezogen
ausserdem, wie das Publikum gegen Künstler
nun einmal zu sein pflegt, verfolgte man Rethel
selbst während seiner Arbeit auf dem Gerüst mit
schlechten Witzen und plumpen Schmähungen.


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