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Es meldeten sich bei ihm nun mit der Zeit die
Anzeichen hochgradiger Neurasthenie, und als noch
ein Familienunglück zu Überanstrengung und Ver-
druss kam, reifte eine Krankheit, die allerdings wohl,
in Folge einer zufälligen Gehirnverletzung, schon
lang in ihm geschlummert haben mochte. Unheilbar
irrsinnig kehrte er im Jahre 1852 von einer Reise
aus Italien nach Deutschland zurück. Gelebt hat er
noch bis Ende 1859.
Die übrigen Aachener Bilder wurden nach seinen
Entwürfen von einem Schüler in der allgemein beliebten
Düsseldorfer Manier ausgeführt. Noch aber
als der Meister schon längst im Irrenhause Kinderspiele
trieb, ruhte der Hass seiner Gegner nicht
und es äusserte sich — glücklicherweise umsonst
— der vandalische Vorschlag, seine Meisterwerke
im süsslichen Stil seines Schülers übermalen zu
lassen.
H. Alfred Schmid.
Dürers Altarbilder.
DÜRERS Gemälde, die fast ausnahmslos datiert
sind, fallen ungleichmässig in die drei Jahrzehnte
seiner Thätigkeit. Von dem Wachsen und Ringen
in der ersten Jugend berichten Zeichnungen und
Holzschnitte, nicht aber Malereien. Dass Dürer ein
Ziel erreicht habe, lassen am sichersten einige
Kupferstiche fühlen, in denen die Begabung und
die Absicht aufs glücklichste mit den Forderungen
der Technik zusammentreffen. Sein Empfinden
und die Art seines Gestaltens schmiegten sich
keineswegs leicht den Bedingungen des Malwerkes
an, vertrugen sich im besonderen nicht w ohl
mit den Wünschen und Gewohnheiten der fränkischen
Bürger, die Andachtstafeln bei ihm bestellten.
Da der Meister 1309 den Altar mit der Himmelfahrt
und Krönung Mariae dem Frankfurter Patricier
Heller vollendet hatte mit fleissiger Sorgfalt, schrieb
er an den Auftraggeber, nie wieder wollte er ein
Gemälde mit so viel Mühe und Arbeit ausführen,
dabei müsste er zum Bettler werden. „Darum",
fügt er hinzu, „will ich meines Stechens warten und
hätte ich es bishiro gethan, so wäre ich um 1000
Gulden reicher." Handelnd danach, hat Dürer von
dieser Zeit an bis zu seinem Ende wenige Altargemälde
geschaffen, eine um so grössere Fruchtbarkeit
als Kupferstecher und als Zeichner entfaltet.
Der ökonomische Grund, der in jener Briefstelle —
wohl ein wenig übertrieben übrigens — hervorgehoben
wird, genügt uns nicht. Eine tiefer grabende
, historisch ästhetische Erklärung, die das
W esen der Dürerschen Begabung und die Auf-
gäbe der Malerei erwägt, mag das eigentümliche
Verhältnis erklären, in dem der grösste deutsche
Maler zur Malerei im engeren Sinne sein Leben
lang blieb.
In der Jugendzeit hat Dürer eigentlich nur ein
Altarwerk geschaffen, so weit wir nach dem Erhaltenen
urteilen können. Wer in den Gemälden
des Meisters Seele sucht, die er in den
Zeichnungen nie vermisst, wird vor dem, jetzt in der
Dresdener Galerie bewahrten Altäre andächtiger verweilen
als vor den etwas späteren, in München und
Nürnberg gezeigten Tafeln, in denen Dürer zwischen
dem eigenen Wollen und der Nürnberger Tradition
einen Ausgleich zu suchen scheint. Der Dresdener
Altar ist eine kühne und persönliche Schöpfung, die
wenig gemein hat mit der überlieferten Art der
fränkischen Altarbilder. Er entstand etwa i4<»N,
also zu jener Zeit, da Dürer in der Holzschnittfolge
der Apokalypse vom Sturme seiner jugendlichen
Vorstellungskraft weit hinausgetragen worden war
über die Grenzen des bisher Geschauten.
Der Dresdener Altar ist auf Leinwand mit Leimfarbe
gemalt. Die Ausführung erscheint deshalb
nicht so glasig glatt wie in Dürers auf Holz gemalten
Tafeln, auch haben die Lokalfarben nicht
die Entschiedenheit, stehen nicht so hart neben
einander, wie sonst wohl. Freilich war das Kolorit
ursprünglich kräftiger als jetzt. Den Leinwandgrund
wählte der Meister wahrscheinlich aus einem äusser-
lichen Grunde: damit das für den sächsischen Kurfürsten
bestimmte Werk mit geringerer Mühe von
Nürnberg nach Wittenberg gebracht werden könnte.
Die Technik war in Oberitalien eher gebräuchlich als
in Deutschland und giebt dem Bilde ein fremdartige-.
Aussehen. Der Altar fällt durch seine .Masse keineswegs
auf. aber im Grüssenverhältnis der dargestellten
Figuren zu diesen Massen wird das Streben nach
wuchtiger und eindringlicher Wirkung deutlich genug
bemerklich. Die Gestalten werden nur in halber
Figur sichtbar! Wird dieses jugendlich ernste Werk,
in dem noch wenig Geschicklichkeit ist, mit einem
der Altarwerke verglichen, die unter Wohlgemuts
Namen in den süddeutschen Galerien hängen, so
empfinden wir den fast revolutionären Bruch mit
der Lokaltradition, der die Zeitgenossen wahrscheinlich
mehr erschreckt als zur Bewunderung gezwungen
hat. Irgendwie muss dem jungen Dürer die düstere
Monumentalität Mantegnas erschienen sein. Schon
das Motiv des Mittelbildes ist eher italienisch als
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