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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0026
Ter Borch, Studienkopf.
Tuschzeichnung. Wien, Albertina.

gewählten Sphäre des Marktes und der Strasse, auch
wohl einmal eine Tabagie und Aehnliches. Der
spätere Ter Borch hat, wie schon früher (Bd. I, Erläuterung
zu Taf. 129) hervorgehoben, seine besondere
Vorliebe dem aristokratischen Teile der Gesellschaft
zugewandt. Als den eigentlichen Maler der
eleganten Welt giebt er sich ja auch in den meisten
seiner bekannten Werke zu erkennen, von denen
in diesem Werke bereits die „Briefstellerin" aus
Buckingham-Palace abgebildet ist (Bd. I, Taf. 129).
Diesem Stoffgebiet gehört die Mehrzahl jener entzückenden
Meisterwerke an, wie sie die Sammlungen
des Louvre, der Dresdner Galerie, der
Ermitage u. a. besitzen, in denen der junge Adel
und die jeunesse doree der üppig autblühenden
Handelswelt von Altholland die bunte Staffage
bildet: nicht immer die geistvollste Gesellschaft,
um so geistvoller aber gemalt. Dahin gehört auch
jenes Gemälde der Berliner Gallerie, das unter
dem Namen der „väterlichen Ermahnung" weit und
breit bekannt ist, dieselbe Darstellung, deren sich
Goethe im zweiten Teil der Wahlverwandtschaften
zur Ausmalung einer eben so anmutigen als humorvollen
Episode bedient hat.

Seltener greift Ter Borch daneben auf die Remini-
scenzen seiner Haarlemer Zeit zurück, am liebsten noch
auf die militärischen Sujets, die „corps-de-garde"
und die ganze abenteuerliche Soldateska des dreissig-
jährigen Krieges, die ja auch zu dem ständigen
Repertoire der Hals-Schule gehörten. Weite Reisen,
die ihn vor der endgiltigen Niederlassung in De-
venter durch aller möglichen Herren Länder und

so auch nach Deutschland führten, haben dem
Künstler wohl Gelegenheit gegeben, das Feld- und
Lagerleben jener stürmischen Zeit aus eigener Anschauung
kennen zu lernen. Dort mag er auch das
Modell des schmucken Trompeters gefunden haben,
der auf verschiedenen seiner Bilder wiederkehrt (vgl.
Taf. 26). Beim Friedensschluss in Münster war
Ter Borch zugegen; die flgurenreiche Darstellung
des abschliessenden feierlichen Aktes, die er damals
anfertigte, gehört jetzt zu den Perlen der National-
Gallerie in London. Von Münster nahm ihn dann
der spanische Gesandte, Graf Penaranda in seine
Heimat mit und Ter Borch fand dort gastfreund-
hche Aufnahme. In Madrid ward ihm sogar die
besondere Gunst des Königs zu Teil und hier gelangte
er auch ohne Zweifel mit dem Hofmaler
Philipps IV., Velazquez, in Berührung, in dessen
Werken ihm eine in mancher Beziehung congeniale
Natur entgegentrat. Ob eine persönliche Begegnung
zwischen beiden Künstlern stattgefunden hat, ist
ungewiss, unverkennbar aber sind die Spuren künstlerischer
Anregung von jener Seite, wenn in späteren
Werken Ter Borchs nicht selten ein Hauch von
der diskreten kühlen Farbe und von der vornehmen
Objektivität des Spaniers zu spüren ist. Das
gilt insbesondere von einigen Bildnissen seiner
späteren Zeit.

Ist die Frage nach Ter Borchs künstlererischem
Charakter, so fallen freilich solche und ähnliche Beziehungen
nicht sonderlich ins Gewicht. Ter Borch
ist vor allen Dingen als eine originale Persönlichkeit
aufzufassen; es ist alles sein eigen, was er giebt und
wie er sich giebt, und selbst die Art, wie er sich
unter Umständen einer von aussen her an ihn gelangenden
Anregung gegenüberstellt, sie zu seiner
eigenen Natur verarbeitend, ohne doch von dieser
selbst das geringste aufzugeben, muss dazu dienen,
ihn in der Unbefangenheit und Unabhängigkeit der
künstlerischen Gesinnung erscheinen zu lassen, auf
der geradezu seine Grösse beruht. Man kann den
Schmelz von Ter Borchs Farbe rühmen, die musterhafte
Anordnung und überhaupt die Formvollendung
seiner Bilder, das beste bleibt doch eben dies, dass
er in seiner Anschauung eben so selbständig, wie im
Ausdruck natürlich gewesen ist.

Dem entspricht auch die Wertschätzung, die
unser Künstler sowohl früher, als auch besonders
in den Augen der neueren Kritik gefunden hat.
Diejenigen, welche in unseret Zeit über Ter Borch
geschrieben haben, nennen ihn unter seinesgleichen,
nächst Rembrandt und Frans Hals, als der Ersten
einen in ganz Niederland. In der That ist das der
Rang, der ihm gebührt.

Heinrich Weizsäcker.

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