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Maurice-Etienne Falconet, Reiterstatue Peters des Grossen
Bronze. St. Petersburg, Alexander-Garten.
des Ruhmes vollsten Kranz entgegennehmen. Denn
Meister aus der Schule Niccolö Pisano's waren es,
die den Herren von Verona zum ersten Male Reiterbildnisse
als Bekrönung auf ihre hochstrebenden
Gräber setzten. Drei Sarkophage von gotischen
Baldachinen überdacht, so erheben sich neben S.
Maria Antica die Grabmale dieser hochfahrenden
Tyrannen aus dem Geschlechte der Scaliger. Das
älteste, noch an die Seitenwand der Kirche gelehnt
und von Can Grande I. schon zu seinen Lebzeiten
(1329) errichtet, ist auch das trefflichste. Eine kecke
Wendung des Kopfes beim Reiter wie beim Pferd,
ein straffer Sitz in der schwergeschienten Rüstung,
eine leise Bewegung in der auf dieser luftigen Höhe
vom Winde durchwehtenTurnierdecke — und ein Bild
höchst individuellen, charaktervollen Lebens ist geschaffen
, das mit Recht Vorbild und Typus für eine
ganze Schaar nachfolgender geworden ist. Allein diese
nachschaffenden Meister sahen ihrem Vorbilde kaum
mehr als die technischen Vorzüge ab, ohne rechtes
Verständnis für das, was da in grossen Linien und
Formen mit monumentaler Schlichtheit vor ihnen
stand. Kein Pomp des Beiwerkes konnte die mangelnde
innere Grösse ersetzen; die Unfreiheit dem
Vorbilde gegenüber liess mehr und mehr die Naturform
erstarren, und so zeigten sich denn schon im
Grabmal des Bernabö Visconti zu Mailand (1348)
die Ratlosigkeit, die Masse zu stützen, und das
mangelnde Verständnis des Pferdeleibes auf's bedenklichste
.
Dass es vor allem an der ungenügenden
Kenntnis des Rosses lag, mussten
die Künstler allmählich selbst mit
Schrecken wahrnehmen, und dies um
so eher, je eifriger sie auch für die
menschliche Gestalt das Studium des
Nackten zu betreiben begannen. Dem
Quattrocento gebührt auch auf diesem
Gebiete der Ruhm, die Form von der
Formel erlöst zu haben. Dabei ist es
wundervoll zu sehen, wie die Ehrfurcht
vor der Natur die ernsthaften Künstler
vor der Nachahmung der so innig verehrten
Antike gehütet hat. Stand doch in
Rom, damals noch vor dem Lateran, das
Reiterbild eines antiken Kaisers (Bd. I
Tf. 116), das auf gut Glück nachzubilden
wohl verlockender, bequemer und gefahrloser
erscheinen musste, als das schrittweise
Erforschen der Natur. Statt dessen
wollte man von diesem Werke nichts
lernen, als was es Künstler zu lehren
im Stande war: die treffliche organische
Verbindung von Ross und Reiter, die
intime Kenntnis des bewegten Pferdes
und den Vorzug der Bronze für das Material.
Mit dem richtigen Instinkte grade des einen, das
vor allem Not that, warf sich alles, was künstlerischen
Trieb und Drang in den Fingern spürte, auf die Erforschung
des Pferdes in Bewegung. Die Feste der
hohen Gesellschaft, Turniere, Jagden, Kriegszüge
boten den willkommensten Studienplatz. Die Vor-
und Hinterhand des Pferdes, die Gangart, die Thätig-
keit des Schulterblattes, die Verbindung des Halses
mit dem Rumpfe — alle diese im Trecento künstlerisch
toten Gebiete wurden nun erschlossen, und
im letzten Drittel des Jahrhunderts konnten, durch die
Resultate ihrer Vorgänger mannigfach bereichert,
Verrocchio und Lionardo mit tiefstem wissenschaftlichem
Ernst den ersten Vorstoss in das Gebiet der
Pferdeanatomie wagen. Maler und Bildhauer arbeiteten
gleichzeitig daran, das Erreichte nutzbar zu
verbreiten: überall, wohin man sah, verschenkte der
Martinsreiter seinen Mantel, ritt Georg den Drachen zu
Tode, kam der stolze Reiterzug der heiligen drei Könige
einhergesprengt. Herzöge an der Spitze der kleinen
Staatengebilde, Condottieri im Solde der Republiken
sorgten eifrig mit ihrem Reiterbilde in Erz für ein
spätes Gedenken, oder erhielten wohl auch ein solches
„nach heidnischer Weise" als Lohn für ihre Thaten.
Und versagten einmal die Mittel, so wurde gelegentlich
, wie im Florentiner Dom, nur ihr Gonterfei
al fresco auf die Mauer gemalt, als stände dort
oben drohend und schützend zugleich ihr reisiges
Bildnis.
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