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In Donatellos Gattamelata (Bd.I Taf. 63.64) und
VerrocchiosColleoni(Bd.ITaf. 55.56) sind die gewaltigsten
Zeugen der Reiterplastik jener Zeit erhalten. In
beiden, die Köpfe der Pferde vielleicht allein ausgenommen
, tritt der Einfluss der Antike ganz zurück; beide
geben das Reiterideal ihrer Schöpfer und ihrer Zeit.
Aber wie verschieden ist dieses! Wie ein Stück plötzlich
in Erz gebannter Natur stellte Donatello seinen Reiter
vor die massige Architektur
in
wuchtigen Formen
des Santo in Padua (1453). Keiner vor und nach
ihm hat das rein animale Dasein der Kreatur so überzeugend
auszudrücken verstanden. In A errocchios
Denkmal hingegen (1495) spürt man den Einfluss der
40 Jahre, die es von Donatello trennen. Sem
Colleoni, der im Sattel machtvoll emporgereckt seine
Blicke wie Raubvögel über die brausende Schlacht
sendet, ist Ausdruck einer dramatisch gespannten
Empfindung. lieber
der Gewalt, mit der
diese sich Bahn bricht,
vergessen wir ganz die
übertrieben sorgsame
Behandlung des Details
, wodurch namentlich
das Boss den Zeitgenossen
als „eine zu
rohe Nachahmung der
Natur, die den Eindruck
eines der Haut
entblössten Pferdes
hervorrufe," erschien.
Noch einen Schritt
weiter, den letzten,
den es zu machen galt,
ging Lionardo. In
seinem Francesco Sforza
für Mailand unter-
Liönardo da Vinci, Vorstudie zu einem Reiterdenkmal.
Zeichnung (verkleinert). Windsor Castle.
nahm er es zuerst, das Ross in voller Ungebundenheit
galoppierend darzustellen. Allein dem alten Fluch
seiner Schöpfungen, unvollendet zu bleiben, verfiel auch
dieses kolossale Werk. Wahrscheinlich kam es überhaupt
nicht überdas cavallo hinaus. Was wir verloren,
lässt eine Reihe Studienblätter mit schmerzlicher Deutlichkeit
erkennen (vgl.dieAbb.dieserSeite). Welch1 ein
Sturm in diesen Skizzen! Dabei in dem gefallenen
Krieger, über den der Reiter triumphierend hinwegsprengt
, ein altes Motiv von antiken Sarkophagreliefs
auf die Monumentalplastik übertragen! Die Arbeit des
ganzen Jahrhunderts vor ihm schien Lionardo zum
Ziele führen zu wollen. Und wer anders als er hätte
diese entfesselte Bewegung mit den Forderungen der
Technik und den Gesetzen der Theorie in Finklang
zu bringen gewusst? Mit dem Gipsmodell des
Pferdes, das französische Scharfschützen mutwillig
zur Zielscheibe nahmen, zertrümmerten sie ein Werk,
das gerade den Künstlern ihrer Nation vielleicht wie
kein anderes das Ziel hätte weisen können, an dem
sie später so hart vorübergingen.
Hatte Lionardo selbst, vielleicht unbewusst, auf
die Antike zurückgegriifen, so gab sich nun die Hochrenaissance
mit voller Absichtlichkeit dem gefährlichen
Zauber der Antike hin, deren grade um diese Zeit
dem Schutt der Vignen entsteigende Marmorbilder
zu kritikloser Bewunderung entflammten. Beides,
die kühle Formengewandtheit, die in jenen späten
Werken der antiken Kunst herrschte, und die immer
mehr verstandesgemäss betriebenen theoretischen
Studien am Pferdeskelett, beschleunigten die Aufstellung
eines abstrakten Idealrosses, von dem sich
das naturfrische Quattrocento weislich fern gehalten
hatte. Der Marc Aurel, durch Michelangelos Neuaufteilung
vor dem Kapitol zu doppelten Ehren gebracht
, ward nun Norm
und Muster für alle
Reitermonumente. Im
Cosimo I, den Gian
Bologna 1 594 auf der
Piazza della Signoria
in Florenz aufstellte,
tritt dies deutlich zu
Tage. Das Verhältnis
von Ross zu Reiter,
die Gangart des Pferdes
und die Bildung
des Sockels sind Nachahmungen
des alten
Imperatorenbildes. In
der Eleganz und dem
Pathos der Pose verspürt
man den Tropfen
gallischen Blutes, der
durch Gian Bologna's
Adern floss. Sein Schüler Tacca knüpfte mehr an
Lionardo an und verstand es zuerst, indem er die
Virtuosenstücke der modischen Reitkunst berücksichtigte
, das Pferd in springender Bewegung frei
zu bilden. Durch seine Thätigkeit in Spanien und
Frankreich kamen nun diese Länder unter die
Herrschaft des italienischen Reiterideales.
Seine endgültige Ausbildung fand dieses Ideal unter
Berninis Händen in dem antikisierend barocken Con-
stantin zu Rom (Tf.40), und das nunmehr tonangebende
französische Cäsarentum, zu dem der Künstler später
enge Beziehungen unterhielt, versäumte nicht, sich
diesen schmeichelhaften Typus selbstgefällig für seine
Zwecke anzueignen. Je mehr aber das Reiterdenkmal
zu einer halb selbstverständlichen Huldigung für die
hohen Herren herhalten musste, je grössere Sorgfalt
wandten die Künstler dem Porträt zu, auf das man
bisher, namentlich im Quattrocento, weniger Gewicht
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