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ge-
zu Gunsten der charakteristischen Erscheinung gelegt
hatte. Die Formel für das Ross war ja ohnehin
gefunden. Endlich wurde auch das Piedestal,
ursprünglich die Grabkammer für die Ueberreste des
toten Helden, der Träger geistreicher oder glatter,
stets aber deutlicher Schmeichelei und verlockte die
Phantasie der Künstler oft zu seltsamer Uebung.
Auch hier hatte Tacca mit den berühmten vier gefesselten
Mohren, die er mit Ketten an den Marmorsockel
eines seiner Standbilder schmiedete, die erste
entscheidende und noch
schmackvolle Anregung
geben, der Schlüter beim
Grossen Kurfürsten bewusst
gefolgt ist. Bald genug indessen
ersetzte sie der Klassizismus
durch allegorische Gestalten
mehr oder minder deutlichen
Gepräges, die endlich
den Spott eines französischen
Spassvogels erweckten, der an
das Piedestal der Reiterstatue
Louis' XV von Bouchardon
die Verse heftete:
Les vertues sont ä pied
Et le vice est ä cheval.
Einen der bizarrsten Gedanken
für diePiedestalbildung
verwirklichte Falconet, dessen
Peter der Grosse einen kaum
behauenen Granitfelsen hinaufsprengt
(vgl. die Abb. S. 18).
Unter all diesen Reitern der
Barockzeit behauptet Schlüters
Grosser Kurfürst nach einstimmiger
Wertung den vornehmsten
Rang (Tf. 7. 8). Seit
Jahrhunderten war es das erste
Reiterdenkmal, das in deutschen
Landen wieder errichtet
wurde. Denn die alten Steinbilder
der deutschen Kaiser
Fre'miet, Jeanne d'Arc
Bronze. Paris, Place des Pyramides.
nicht gefehlt hätte. Erst Schlüter schuf mit sicher
formender Meisterhand einen Reiter, einen königlichen
, aber noch war es nicht der deutsche, den
wie den Dürerschen Tod und Teufel umsonst bedrohen
. An Schlüter suchten Schadow und diejenigen
anzuknüpfen, in deren Hände die ersten Entwürfe zum
Denkmale Friedrichs des Grossen gelegt wurden.
Aber sie fanden nicht mehr die alten Wege. Auch
Rauch, dem es vergönnt war, das Denkmal endlich zu
Stande zu bringen, fand sie nicht, und die neuen, die
er einschlug, führten nicht
ans ersehnte Ziel (Bd. I Tf. 111.
1 ] 2). Denn so sehr er strebte von
der Natur zu lernen, sein an der
Antike geschultes Auge sah im
mer nur das Typische, ohne bis
zum Individuellen vorzudringen
. Und wenn er sich auch
vom äusserlichen Beiwerk der
Antike, z. B. vom Kostüm, in
strenger Selbstzucht befreite,
so kam er einerseits nicht über
die trockene Uniformdarstellung
, anderseits nicht über die
abgegriffene Allegorie hinaus.
Erst in neuer Zeit, wo seine
Schüler Wolff, Drake, Kiss,
Bläser und deren Anhänger
Rauchs Reitertypus überall
aufgestellt haben, wird dem
Publikum bewusst, wie wenig
eigentlich all diese Gebilde darstellen
, was sie sein sollten.
Der Fluch der Denkmalskonkurrenzen
raubt zudem der
Monumentalplastik die Ruhe
einer inneren Weiterentwicklung
. Und
weht ein erfrischender Wind
über die verstaubten AteHer-
dennoch, schon
modelle, die immer aufs neue
im
Bamberger Dom
herhalten müssen,und freudig tauscht der internationale
und am Strassburger
Münster, in denen die
a;ute
künstleriche Verkehr ein, was jugendfrische Kraft,
an
Tradition der Antike mit individuellem Leben glücklich
gepaart erscheint, waren in Folge des Zusammenbruches
des alten Kaiserreiches ohne Nachfolge geblieben
. Und Kaiser Max zog in jener Zeit, da die
Künste blühten und es eine Lust war zu leben, vor,
sein düsterstolzes Grabmal in Innsbruck zu bauen, statt
irgendwo in seinen deutschen Landen sein Reiterstandbild
zu errichten. Burgkmairs Holzschnitt (Abb. S. 17),
der ein so mannhaftes Reckenbild des Kaisers giebt,
beweisst, dass die rechte künstlerische Kraft dazu
keine Tradition gebunden, erobert. Heut, wo man anfängt
, die Natur wieder mit unbescholtenen Augen zu
sehen, wird dies auch dem Reitermonument zu neuem
Leben verhelfen. Die Zeichen dafür mehren sich: die
trefflichen Reiter auf dem Dach unseres Reichshauses
stehen da, wie Herolde vor eben geöffneten Schranken.
Und sehe ich recht, so wird aus dem Geiste der
grossen Monumente des Quattrocento das strahlende
Erzbild erstehen, das unser Hoffen und unsere Arbeit
ans Ziel führt: der deutsche Reiter.
Hans Mackowsky.
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