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Gottfried Schadow
(1764—1850).
SCHADOW zählt zu den Künstlern, welchen die
Gegenwart einen höheren Rang einräumt, als
ihnen ihre eigene Zeit zuerkannte. In den letzten
Jahrzehnten seines langen Lebens konnte er sich mit
Christian Rauch nicht messen.
Das hat er selbst gefühlt, aber
er war eine zu gesunde Natur,
um dadurch verbittert zu werden
, oder seinen Rivalen,
dessen Grösse verkennend,
gar zu bemäkeln. Nach Scha-
dows Tod vollends — er starb
1850, und Rauch überlebte
ihn um sieben Jahre — hat
der Glanz, weicherden Schöpfer
des Friedrichsdenkmals umstrahlte
, seine Kunst fast ganz
in Schatten gehüllt. Allein
das währte nicht allzu lange.
Niemals hatte sie Freunde und
Bewunderer vollständig verloren
, und je mehr man sich
geschichtlich rückwärtsschauend
mit der Blütezeit der
deutschen Plastik in unserem
Jahrhundert beschäftigte, um
so klarer trat die Gestalt
Schadows neben diejenige
Rauchs wieder in den Vordergrund
. —
Den hellsten Ruhm gab ihm
die Veröffentlichung seiner
Handzeichnungen zurück. Sie
fügten seinem kunstgeschicht-
lichcn Charakterbild einige
neue Züge bei, welche sich
im Schaffen Rauchs garnicht,
Gottfried Schadow,
Bronzestatue. 1
oder doch nur sehr selten finden, und die innerhalb
der Gesamtentwickelung der deutschen Kunst dennoch
eine bis dahin unrichtig bemessene Lücke ausfüllen.
Einerseits gilt dies für das Verhältnis zur Rococo-
Kunst, deren Anmut und Frische in den Schadow-
schen Zeichnungen, wie auch in seinen Modellen für
die Berliner Porzellan-Manufaktur, selbst unter den
antiken Namen und in klassizistisch verzopfter Hülle
oft so graziös und liebenswürdig zum Ausdruck gelangt
. Anderseits aber zeigte sich in diesem Sinne
auch seine innere Verwandtschaft mit Chodowiecki
geschichtlich bedeutsamer. Wie
dessen Skizzen und Kupferstiche
, so bieten auch die
Zeichnungen Schadows oft
jene selbst in ihrer Nüchternheit
so köstliche, gesund-naive,
leicht humoristisch gefärbte
Spiegelung der Wirklichkeit,
ohne jede absichtliche Steigerung
und Stilisierung, und
doch von jenem verklärenden
Schimmer duftig umwoben, der
das Zeitalter des Zopfes in der
deutschen Kulturgeschichte uns
heut so anheimelnd macht.
Endlich kam auch die Sicherheit
und technische Korrektheit
dieser Darstellungen hinzu
, um besser, als man es zuvor
erkannt hatte, zu lehren,
dass Gottfried Schadow ziel-
bewusst auf dem Wege gewandelt
sei, der in der deutschen
Kunstgeschichte von Chodowiecki
zu Adolf Menzel führt,
und dass für ihn auch als Künstler
die prächtige Charakteristik
zutrifft, in welcher Theodor
Fontane seine Persönlichkeit
zu einem Typus der damaligen
Berliner Männer erhob: „Der
Geist altenfritzig, der Charakter
märkisch". —
Der erste Hauptteil dieses Spruches aber lautet:
„Die Seele griechisch!" So schien es auch bei
Schadow im Beginn seiner Künstlerlaufbahn. Sein
erstes grosses Berliner Werk, das 1791 vollendete Grabdenkmal
des Grafen Alexander von der Mark in der
Dorotheenstädtischen Kirche (Taf. 16), ist von hellenischer
Schlichtheit und Vornehmheit. Ueber der
Friedrich der Grosse
'otsdam, Sanssouci.
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