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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0033
bewusstseins, und gab ihm Gelegenheit, als einer der
ersten für das Denkmal Friedrichs des Grossen künstlerisch
zum Worte zu gelangen, aber es versagte ihm,
damit durchzudringen. Es berief ihn, das Siegesthor
der preussischen Hauptstadt mit der triumphierenden
Victoria zu schmücken, aber es verlieh ihm nicht die
griechische Seele, um diesem dem klassischen Altertum
entlehnten Sinnbild gemäss auch die übrigen
nationalen Aufgaben zu lösen. Es schenkte ihm nur
die Fähigkeit, deren Anforderungen in schlichter Wahrheitsliebe
volkstümlich zu genügen. Diese aber reichte
nicht aus! Denn in den Wirklichkeitssinn dieser Zeit
klingt auf allen Gebieten auch noch die Gefühlsinnigkeit
und die klassische Schulung der Geister als mahnender
Gegensatz hinein. Schadow selbst vernahm ihn
deutlich, und überdies führte ihm das Wirken Rauchs
den ruhmreichen Erfolg einer Kunstweise, die zwischen
diesen inneren Widersprüchen mit leichter Hand zu
vermitteln verstand, dauernd vor Augen. Das erschütterte
in seinem eigenen Wirken das freie, ruhige
Gleichgewicht, denn er besass nicht die schöpferische
Energie, trotzdem unentwegt nur sich selbst zu folgen.
Auch seine theoretischen Erörterungen über die Kunst
seiner Zeit und über seine eigenen Ziele bekunden
dies. Rein verstandesmässig sucht er jenseits der unmittelbar
gegebenen Fragen nach einer bleibenden
Norm, nach den Massverhältnissen der Menschengestalt
im Sinne eines Canon. Das war sein „Kompromiss"
seiner Zeit gegenüber, und es entspricht nur dem
Gesetz alles Erfolges, dass man denjenigen Rauchs,

der in künstlerischen Thatcn sprach, über den seinen
stellte.

So ist die Mission, zu welcher Schadow in der
deutschen Plastik während der ersten Jahrzehnte seines
Wirkens berufen schien, in höherer Weise von Rauch
und dann von Rietschel erfüllt worden, und er selbst
als Künstler mitten auf seinem Lebenswege stehen
geblieben. - Die deutsche Kunstgeschichte verzeichnet
Viele, deren früher Tod als ein unersetzlicher Verlust
erscheint, die plötzlich aus ihrem aufwärts führenden
Siegespfad hinweggerisseu wurden. Gottfried Schadow
aber ist sechsundachtzig Jahre alt geworden! Wäre
er in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts gestorben
, so würde man ihn rückhaltlos als einen der
grössten Künstler desselben preisen: als Zeitgenosse
Rauchs scheint er sich selbst zu überleben. Und
dennoch hat das Schicksal gerade durch die Verlängerung
seiner Tage auch für die Nachwelt das, was sie
dem Künstler nahm, dem Menschen freundlich ersetzt.
Denn Schadows Persönlichkeit als solche zählt zu den
anziehendsten seiner ganzen Zeit. Deren Bild bliebe
besonders in der preussischen Hauptstadt ohne ihn
heute unvollständig. Seine knappe Selbstbiographie
und seine Briefe sind ein köstliches Spiegelbild seiner
Epoche und einer ihrer wackersten Söhne. Selbst mit
ihrer Nüchternheit kennzeichnen sie den Boden, dem
die Gegenwart ihr festestes Fundament verdankt, und
so lange man dafür Empfindung hat, wird nicht nur
der junge, sondern auch der „alte" Schadow auch in
seiner Kunst lebendig bleiben.

Alfred Gotthold Meyer.

Jozef Israels

(geh. 27. Januar [824).

REMBRANDT hat während seines Lebens und
nach seinem Tode viele Schüler gefunden.
Man hat sich seiner Art der Beleuchtung angepasst,
sieh seine Sujets augeeignet und seine Malweise
nachgeahmt. Man kann aber nicht sagen, dass
Wesentliches von seiner inneren Empfindung weitergelebt
hat.

Zweihundert Jahre sind vergangen, ehe aus der
holländischen Schule einer sich emporgehoben hat,
der, ohne äusserlich in Rembrandtscher Manier zu
malen, sich dem Geist des Meisters verwandt zeigt.

Ich meine nicht Rembrandts grandiose Phantasie,
ich denke auch nicht an seinen Hang zu vornehmem
Glanz, ich möchte nur sagen, dass ein Zug von Rembrandts
gewaltigem Pathos in Jozef Israels wiedererstanden
zu sein scheint.

Anfangs war das Empfinden in Israels Werken
nicht frei von Sentimentalität. Nachdem er zuerst in
seiner Heimat in der langweiligen holländisch-akademischen
Manier der Mitte dieses Jahrhunderts und
später kurze Zeit in einem Pariser Atelier seine Ausbildung
genossen hatte, malte er wohl besser als irgend
einer in Holland (den frühreifen Bosboom allein ausgenommen
), aber das Beste hatte er noch nicht gefunden
. In seinem Suchen danach erschien ihm das in
Amsterdam ausgestellte Gretchen von Scheiter wie eine
Offenbarung. Hier zuerst fand er in dem Bild eines
Zeitgenossen den Beweis, dass die Malerei auch noch

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