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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_01/0046
Schule des Quinten Mass)
Rom, Accadei

straft sich selbst Lügen. Das war dem Menschen
nicht eitel, was er mit solcher Liebe auf der
Tafel wiederzugeben sich bemühte. Wenn er jeden
kleinen Lichtreflex auf dem messingnen Leuchter,
wenn er die Durchsichtigkeit des herabtropfenden
Wachses studierte, wenn er die einzelnen Blätter
der Folianten und jede Fuge der Holztäfelung der
Wand zu malen trachtete, wenn er jede Runzel der
Haut, jede Krümmung der Finger bei seinem Heiligen
förmlich heraussuchte, so war das mehr Vertiefung
in die Aussenwelt, als er vor der moralischen
Lehre seines Bildes verantworten konnte.
Es war ihm auch nicht so ernst damit. Aber er
musste den Schein wahren. Er musste, wenn er
ein lustiges Gelage schildern wollte, darunter
schreiben: „Gleichnis vom verlorenen Sohn"; wenn
es ihn reizte, einen Markt mit seiner Auswahl von
Tieren und Gemüsen zu schildern, so that er es
unter dem Titel: „Vertreibung der Händler aus dem
Tempel", oder eine Küche mit der ganzen Ausbreitung
ihrer Vorräte galt ihm als Vorraum zur
Hochzeit von Cana im Hintergrunde.

Langsam und vorsichtig schälte sich das reine
Sittenbild aus diesen Vorwänden heraus. Das
Hieronymusbild verschwand allmählich. Immer leiser

;. Der heilige Hieronymus,
ia di San Luca.

erklang der Satz „Der Mensch ist eine Seifenblase",
mit dem man zuerst sich innerlich ein Gegengewicht
schaffen wollte gegen die unüberwindliche Freude
an den Erscheinungen irdischen Lebens, und mit
immer grösserer Liebe begann man die tausenderlei
Farben dieser schillernden Seifenblase zu beobachten
und auf Holz und Leinwand wiederzugeben.

Und hundert Jahre später lebte in den Niederlanden
der Künstler, den wir als den Gipfelpunkt
holländischer Malerei ansehen. Die beiden Bilder,
welche unter Rembrandt's Werken die früheste
Jahreszahl 1627 tragen, sind ein Geldwechsler inmitten
seiner Rechnungsbücher und Goldstücke
(Berliner Galerie) und ein grübelnder Greis mit
Folianten zur Seite in einer Zelle (Paulus im Gefängnis
im Museum zu Stuttgart, Bd. I Taf. 10).
Es ist wohl ein Zufall, dass dieselben Motive, die
einst als Träger einer neuen Kunstgattung dienten,
jetzt die ersten Proben Rembrandtscher Lichteffekte
bildeten und dass mit ihnen der Glaube
begann, dass das Licht jegliche äussere Erscheinung
zu adeln vermag, während man hundert
Jahre früher zu denken begann, dass die Freude
an dieser äusseren Erscheinung an sich schon den
Gegenstand adeln konnte.

Adolph Goldschmidt.

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