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Andreas Schlüter, Der Grosse Kurfürst.
Nach einem Gipsabguss des Kopfes vom Reiterstandbild.
Berlin, Kgl. Museen.
holt. Die noch erhaltenen umfangreichen Akten und
Korrespondenzen über die Turmkatastrophe geben
einen tiefen Einblick in den verzweiflungsvollen, der
Fassung und Würde beraubten Seelenzustand des
gedemütigten Künstlers. Es scheint selbst, dass seine
Gesundheit unter den aufregenden Ereignissen gelitten
habe. Thatsächlich ist er in den folgenden
sieben Jahren seines Berliner Aufenthalts als Künstler
in den Hintergrund getreten. Einen leitenden
Einfluss auf die Berliner Kunstunternehmungen hat
er nicht wieder gewonnen.
Eine eigentümliche Fügung des Schicksals
brachte es mit sich, dass Schlüters letzte Arbeit in
Berlin der Sarkophag seines Herrn und einstigen
Gönners, des 1713 verschiedenen Königs Friedrich I.,
im Dom zu Berlin sein sollte. Gleich seinem Gegenstücke
, dem ebenfalls von Schlüter gefertigten
Sarkophage der Königin Sophie Charlotte (f 1705),
aus Metallblech getrieben und durchgehends vergoldet
, ist der Sarg aufs reichste mit Wappenkartuschen1
und Emblemen verziert; am Kopfende
befindet sich das von zwei weiblichen Gestalten gehaltene
Reliefbild des Verstorbenen. Am Fussende
sitzt eine edle, das schmerzvoll geneigte Haupt in
die Hände bergende weibliche Figur, die Verkörperung
der aufrichtigen Trauer, die das Volk beim Tode
des allzeit leutseligen Fürsten empfand. Fast will
es scheinen, als ob in diese liebevoll durchgeführte
Gestalt Schlüter auch das eigene Leid, den Schmerz
über Missgeschick und Enttäuschung hineinversenkt
habe. Das Werk bezeichnet seinen künstlerischen Abschied
von Berlin. Auch seine Tage waren gezählt.
Seine letzten Lebensschicksale sind bald berichtet.
Als König Friedrich Wilhelm I. bei seinem
Regierungsantritte fast alle Hofämter strich, die sein
pracht- und kunstliebender Vater geschaffen hatte,
musste auch Schlüter Berlin verlassen. Noch einmal
zwar schien es, als sollte ihm die Sonne fürstlicher
Gunst leuchten. Nach Russland berufen, woselbst
Zar Peter der Grosse seine neue prächtige Hauptstadt
Petersburg erstehen liess, war er mit Plänen
und Entwürfen beschäftigt. Doch scheint es, als ob
seine Gesundheit dem nordischen Klima, vielleicht
auch den Folgen bitterer Lebenserfahrungen nicht
länger habe widerstehen können. Kein Jahr war
seit seinem Abschied von Berlin vergangen, als
Schlüter, fern von den Seinen, die er in Dürftigkeit
dort zurückgelassen hatte, imMai 1714 der Tod ereilte.
Mit ihm verschied ein Künstler, dessen Namen mit
dem Kunstleben der preussischen Residenz für immer
in Ehren verknüpft ist. Wie sein Auftreten die erste
Epoche einer Kunstblüte grossen Stils auf dem dürftigen
Boden der märkischen Hauptstadt bezeichnet, so
bildete seine Verabschiedung auf der Höhe seiner
Schaffenskraft den grössten künstlerischen Verlust,
den sie je zu beklagen gehabt hat.
Richard Borrmann.
Schlüter, Schlufsstein an der Aussenseite
des Berliner Zeughauses.
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