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Bernini, Verzückung der hl. Theresa.
Rom, S. Maria della Vittoria. — Marmorrelief.
Atelier defilierte. Als er 1680 starb, hinterliess er
Rom mit dem Stempel seines Geistes und seiner
Kunst geprägt. Niemand kann sich Rom vorstellen
, ohne des Petersplatzes zu gedenken. Wie
ihn Bernini geschaffen hat, ist er nicht ein Etwas,
das der fertigen Kirche hinzugefügt wurde: erst
durch diese Platzanlage und ihre Kolonnaden ist
St. Peter fertig und in seinen Disharmonieen erträglich
geworden.
Bernini's Leben fällt in eine Zeit, wo in dem
Kunstinteresse das Theater zu dominieren begann;
er hat selbst Komödien verfasst; die eigentliche
Leidenschaft des Publikums aber wurde die Oper
und ihr grosser szenischer Apparat. Die Aufgaben,
die hier den Künstlern gestellt waren, bildeten eine
Schule technischer Fertigkeiten auf dem Gebiet der
Perspektive, der Beleuchtung und aller optischen
Effekte, deren Einfluss kaum zu übersehen ist.
Hier lernte man die fehllose Berechnung der Mittel
und die Sicherheit der Wirkungen. Wenn ein
schwaches Künstlergeschlecht, wie es zeitweise bei
uns in dem Deutschland des XIX. Jahrhunderts der
Fall war, durch den Theatergeschmack völlig verdorben
wirdt so zeigt das XVII. Jahrhundert, dass
eine starke Kunst in solcher Schule zu lernen und
ihre Kräfte zu steigern wusste. Die Dekoration
freier Plätze durch Brunnenanlagen, wie sie Bernini
schuf, ist heute noch nicht übertroffen worden.
Es muss wohl zu dem Schwierigsten
gehören, die Dimensionen für die Wirkung
im Freien und den richtigen Kontur
solcher plastischer Dekorationen zu
berechnen. Bernini hat einmal geäussert,
wenn man eine Figur bilde, deren eine
Hand innerhalb des Gesamtumrisses des
Körpers zu liegen komme, deren andere
aber mit weggestrecktem Arm frei gegen
die Luft stehe, so müsse diese zweite
grösser geformt werden; denn die Luft
fresse am Kontur und lasse das Volumen
kleiner erscheinen.
Nur aus einem grossen Reichtum
solcher und anderer optischer Erfahrungen
erklärt sich die grosse Wirkung von
Erfindungen wie der wasserspeiende Triton
auf Piazza Barberini oder die vier
Erdteile auf Piazza Navona. Fast alle
neueren Anlagen der Art lassen die
alterierenden optischen Wirkungen, die
das strömende Wasser und die Luft üben,
ausser Rechnung.
Damit, dass die transitorischen Künste
ein so grosses Interesse in Anspruch
nahmen, hängt es weiter zusammen,
dass die Plastik überhaupt in eine
neue Entwickelungsphase eintrat. Von der Plastik
Michelangelos pflegte Bernini, der im übrigen
doch vor dem Genius des grossen Vorgängers die
tiefste Ehrfurcht besass, zu urteilen, Fleisch darzustellen
, sei ihr unmöglich gewesen. Jeder, der
die halbfertigen Gestalten der Mediceergräber
Michelangelo's gesehen hat, wird es kaum als einen
Mangel empfunden haben, dass die Oberflächenbehandlung
fehlt: die (Idee' des Künstlers ist auch
so völlig verwirklicht. In der Kunst Bernini's dagegen
erscheint das plastische Problem als ein ganz
und gar verändertes. Das Interesse hat sich hier
auf die täuschende Illusion der Wirklichkeit gerichtet
. Statt der innerlichen Beseelung bei Michelangelo
, jener abgrundtiefen Empfindung, neben der
die körperliche Funktion fast stillzustehen scheint,
geht nun alles nach aussen, in die Nerven. Die
huschende, vorüberschwindende Bewegung, das
Zittern der Hautfläche, die Spannung der Nerven —
dahin verwandeln sich die Probleme der Plastik.
Mit offenem Mund, voll von staunender Bewunderung
stand jetzt die Welt vor Bernini's steinschleuderndem
David, an dem jede Fiber zuckt,
die Lippen in einander gebissen sind und die Brauen
sich vorwärts krampfen über dem zielenden Blick, in
der Spannung des grossen Wurfes (Taf. 80); so vor
dem Apoll, der Daphne verfolgt, die Nymphe mit
der seidenweichen Haut über dem schlanken Körper
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